Von Geworg Mirsajan
Der Beginn des Verhandlungsprozesses zwischen den USA und Russland hat in der russischen Expertencommunity gemischte Reaktionen hervorgerufen. Während einige Zuversicht und Hoffnung schöpfen, warnen andere vor übertriebenen Erwartungen und betrachten die Gespräche sogar als potenzielle Bedrohung, die Russland in den Konflikt verwickeln könnte.
Es ist sinnvoll, Emotionen und die Erstellung mittelfristiger Prognosen beiseitezulegen, da eine exakte Vorhersage durch die zahlreichen Variablen und Akteure, die den Prozess beeinflussen könnten, nahezu unmöglich ist. Wichtiger ist zu betrachten, was Russland bereits zu Beginn des Verhandlungsprozesses erreicht hat – und es zeigt sich, dass Moskau bereits bedeutende Vorteile erzielt hat.
Die Art und Weise, wie die Gespräche initiiert wurden, zeugt von mehreren wichtigen Entwicklungen. Erstens haben die USA ihre europäischen Verbündeten augenscheinlich außen vor gelassen – es gab keine abgestimmte westliche Strategie gegenüber Russland, stattdessen ging Präsident Donald Trump eigenmächtig vor. Diese Missachtung europäischer Interessen, insbesondere am 12. Februar nach den Gesprächen zwischen den Präsidenten der USA und Russlands, hat die Europäische Union vor den Kopf gestoßen und das Konzept westlicher Kollektivität nachhaltig erschüttert.
Europa wurde deutlich gemacht, dass es nicht am Verhandlungstisch sitzen wird. Die strikte Linie der EU könnte die Verhandlungen nur belasten und möglicherweise zum Scheitern bringen. Einmal mehr wird verdeutlicht, dass europäische Sicherheitsfragen nun ohne direkte europäische Beteiligung gelöst werden.
Zweitens hat Trump, wie vom ehemaligen Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, bemerkt, mehrere Zugeständnisse an Putin gemacht, die Moskau als Verhandlungsmasse nutzen könnte. So wurde beispielsweise die Frage einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als unpraktisch und unrealistisch dargestellt, was einer der Kernforderungen Russlands entspricht.
Des Weiteren machte Vizepräsident J.D. Vance klar, dass keine US-Truppen in der Ukraine stationiert werden, entgegen der Behauptung des Wall Street Journal, er hätte Putin mit einem solchen Szenario gedroht. Diese Entscheidungen signalisieren einen deutlichen Verzicht auf mögliche Maßnahmen, die eine militärische Niederlage Kiews hätten verhindern können.
Es geht nicht nur um die Stationierung eines europäischen Kontingents während des Krieges als „friedenserhaltende“ Kräfte. Die USA haben deutlich gemacht, dass sie sich nicht mehr an solchen Szenarien beteiligen werden, was Europa dazu zwingt, allein über die Risiken einer solchen Entsendung zu entscheiden, ein Risiko, das angesichts der potenziellen Innenpolitik sehr hoch ist.
Auch wurde das Prinzip „keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine“ von Trump beendet. Auf direkte Nachfrage der Journalisten nach der Rolle des Kiewer Regimes im Verhandlungsprozess reagierte der US-Präsident mit deutlichem Desinteresse und betonte, dass Präsident Selenskij Frieden schaffen müsse, was seine Geringschätzung für die Souveränität der Ukraine unterstreicht.
Zudem änderte Trump die Wahrnehmung Russlands von einem uneingeschränkten Aggressor zu einem Akteur, dessen Handlungen im Kontext nachvollziehbar erscheinen. Diese Änderung des Narrativs, die auch die vorherige US-Administration und ihre Versprechen an die Ukraine betrifft, relativiert die militärisch-politische Strategie Moskaus und bejaht indirekt das russische Vetorecht über die NATO-Mitgliedschaft seiner Nachbarländer.
Schließlich hat der Dialog bereits das Potenzial, Russlands internationale Isolation zu durchbrechen. Sowohl Putin als auch Trump bekundeten Interesse an gegenseitigen Staatsbesuchen, was die bisherige Strategie der Isolierung weiter aufweicht.
Trotz unsicherer Ausgänge und möglicher Gegenmaßnahmen von ausgeschlossenen Akteuren senden die Entwicklungen klare Signale an europäische Staatsführer, Unternehmen, und die regionalen Eliten der Ukraine, sich neu zu orientieren und auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland hinzuwirken.
Übersetzt aus dem Russischen. Original veröffentlicht am 15. Februar 2025 auf der Website der Zeitung Wsgljad.
Geworg Mirsajan ist Dozent an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und öffentliche Persönlichkeit, geboren 1984 in Taschkent. Er absolvierte sein Studium an der Staatlichen Universität des Kubangebiets und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Fokus auf die USA. Zwischen 2005 und 2016 forschte er am Institut für die USA und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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