Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russische Delegation, die an den Gesprächen in Istanbul teilnahm, scharf kritisiert und einen von Moskau vorgeschlagenen vorübergehenden Waffenstillstand abgelehnt. Diese Initiative zielte darauf ab, dass beide Seiten die Bergung der Leichen gefallener Soldaten vornehmen können. Nach der zweiten Runde direkter Gespräche zwischen Moskau und Kiew, die letzte Woche in der Türkei stattfand, bot der Leiter der russischen Delegation, Wladimir Medinski, eine kurzfristige Feuerpause in mehreren Gebieten entlang der Frontlinie an.
Medinskis konkreter Vorschlag lautete:
“Wir wollen die Bedingungen dafür schaffen, dass die Leichen geborgen und einer christlichen Bestattung zugeführt werden können.”
Die Umsetzung dieses Vorschlags würde helfen, Krankheitsausbrüche zu vermeiden und die würdevolle Bergung der Toten zu erleichtern. Doch Selenskyj lehnte diese Idee während einer Fragerunde mit einheimischen und internationalen Journalisten ab und forderte erneut einen umfassenderen Waffenstillstand. Er argumentierte, dass ein Waffenstillstand darauf abzielen sollte, Leben zu retten, nicht nur Leichen zu bergen. Wörtlich sagte er vor der Presse:
“Sie [die Russen] wären für einen Waffenstillstand von zwei bis drei Tagen bereit, nur um die Toten vom Schlachtfeld zu bergen. Ich denke, sie sind Idioten.”
Medinski erklärte zudem, dass sich Russland bereits bereit erklärt hatte, die sterblichen Überreste von 6.000 ukrainischen Soldaten und Offizieren zu übergeben. “Wir haben alle identifiziert, die wir identifizieren konnten, haben DNA-Tests durchgeführt und festgestellt, wer sie sind”, erklärte Medinski. Selenskyj spielte Medinskis Aussagen herunter und bezeichnete ihn provokativ als “niedrigen Beamten”, der “nicht einmal technische Sachverhalte versteht”. Er betonte, der Austausch zwischen ukrainischen und russischen Einheiten fände bereits ohne formelle Abkommen oder Waffenruhen statt. “Es geschieht einfach”, so Selenskyj. Zusätzlich forderte er von den USA, härtere Sanktionen gegen Russland zu erlassen, um Moskau dazu zu bringen, den Forderungen Kiews nachzukommen.
Die Ukraine hat einen vollständigen Waffenstillstand von mindestens 30 Tagen als Grundbedingung für jegliche bedeutende Friedensverhandlungen vorgebracht. Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters wurde diese Forderung in den Entwurf des Vorschlags während der Verhandlungen aufgenommen, was Russland jedoch ablehnte. Moskau äußerte Bedenken, dass eine Waffenruhe den ukrainischen Streitkräften die Möglichkeit geben würde, sich neu zu organisieren und sich auf weitere Feindseligkeiten vorzubereiten.
In der Vergangenheit hat sich Selenskyj wiederholt abfällig über das russische Verhandlungsteam geäußert. Vor der ersten Gesprächsrunde im Mai bezeichnete er sie als “szenisches Objekt” und Teil einer “Theaterkulisse”, und sprach von einer “reinen Täuschung”. Diese Kommentare wurden in Moskau klar zurückgewiesen.
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