Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges bemüht sich Ankara um eine Vermittlerrolle zwischen den Kriegsparteien. So lud das Land erst im Februar den russischen Außenminister Sergei Lawrow zur wichtigsten internationalen Konferenz des Landes ein, dem Antalya-Diplomatie-Forum. Zugleich hat die Türkei zuletzt die Ölimporte aus Russland und Exporte nach Russland reduziert, offenbar im Bemühen um bessere Beziehungen zu den USA.
Der ukrainische Präsident Selenskij traf nun am Freitag in der Türkei ein und kam in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zusammen. Die Themen der Unterredung zwischen Erdoğan und Selenskij waren der Verlauf des Krieges, das geplatzte Getreideabkommen und eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung.
Bei dem Besuch des ukrainischen Präsidenten hat sich die Türkei erneut als Vermittler im Ukraine-Krieg angeboten. “Wir sind bereit, einen Friedensgipfel auszurichten, an dem auch Russland teilnimmt”, sagte Präsident Erdoğan.
Selenskij zeigte sich offen für Gespräche mit Moskau. Zunächst wolle er darüber aber mit den ukrainischen Verbündeten bei einem weiteren Treffen in der Schweiz sprechen. Konkret soll es dabei um einen Zeitplan für eine Friedenslösung gehen.
Außerdem erklärte Selenskij in Istanbul, er habe Erdoğan eine Liste mit Kriegsgefangenen übergeben, die Moskau freilassen solle. Der ukrainische Präsident schrieb zuvor, man brauche die Unterstützung der Türkei für die Freilassung von Kriegsgefangenen in Russland. Nach seinem vorherigen Besuch in Istanbul im vergangenen Juli konnte er fünf Kommandeure des rechtsextremen Asow-Bataillons mit nach Hause nehmen. Erdoğan nahm in Kauf, die Kremlführung damit zu erzürnen, denn Moskau hatte die Kriegsgefangenen unter der Bedingung an die Türkei übergeben, dass sie nicht in die Ukraine ausreisen dürfen.
Das Präsidialamt in Ankara teilte vor dem Treffen mit, dass auch Kontakte hinsichtlich einer Fortführung des Getreideabkommens auf der Tagesordnung stünden. Eine Fortsetzung des Abkommens wird jedoch allgemein als unwahrscheinlich eingeschätzt. Russland hat dem bereits eine Absage erteilt und Kiew exportiert seine Güter inzwischen durch die Hoheitsgewässer Rumäniens und Bulgariens. Mit dem rhetorischen Festhalten an dem Getreidedeal will Erdoğan an seine Vermittlerrolle bei der ursprünglichen Übereinkunft zwischen Russland und der Ukraine im Februar 2022 erinnern.
Selenskij soll bei seiner jüngsten Reise Vertreter mehrerer Firmen getroffen und mit der Türkei “bedeutende Dokumente auf Ebene der Verteidigungsministerien” unterzeichnet haben. Details nannte er allerdings nicht. In Istanbul besichtigte Selenskij auch eine Werft, auf der zwei Kriegsschiffe für die ukrainische Marine gebaut werden. Das neue Flaggschiff der Marine, die Korvette “Hetman Iwan Masepa”, soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. Das Rüstungsunternehmen Baykar hatte bereits im Februar angekündigt, in der Nähe von Kiew eine Drohnenfabrik bauen zu wollen. Das Unternehmen ist im Besitz der Familie von Erdoğans Schwiegersohn.
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