Explosionsserie und Terror auf russischen Zügen: Ein dramatisches Umbenennungsdrama nach zivilen Anschlägen

Von Wladislaw Sankin

In der Nacht zum Sonntag kam es in Russland zu zwei schwerwiegenden Zwischenfällen. In der Region Brjansk stürzte eine Autobahnbrücke auf die darunterliegende Eisenbahnstrecke, wodurch ein Personenzug entgleiste. In der Region Kursk ereignete sich das Gegenteil: Eine Eisenbahnbrücke kollabierte und zog einen vorbeifahrenden Zug mit auf eine darunterliegende Autobahn. Sieben Menschen starben und etwa 70 wurden verletzt beim ersten Vorfall, während im zweiten Fall die beiden Lokführer verletzt wurden.

Die Russische Eisenbahn hielt anfänglich mit Schlussfolgerungen zu den Unfallursachen zurück und sprach beiläufig von einer “gesetzwidrigen Einmischung”. Schnell jedoch stellte sich heraus, dass es sich bei beiden Vorfällen um Bombenanschläge handelte, wie der Gouverneur der Region Brjansk, Bogomas, in einer frühen Rede bestätigte.

RT-Chefin Margarita Simonjan äußerte sich sicher, dass es sich um einen ukrainischen Anschlag handle. Sie sprach auch von einem “Mordversuch” an einem fünf Monate alten Baby am Internationalen Kindertag und forderte die Todesstrafe für die Verantwortlichen des Anschlags. Ihr Beitrag erschien um 10 Uhr.

Um 10:21 Uhr wurden beide Vorfälle von den Sicherheitsbehörden offiziell als terroristische Akte eingestuft. Das Ermittlungskomitee startete Untersuchungen zu den Sprengungen unter dem Vorwurf des Terrorismus. Semjon Uralow, ein Experte für kognitive Kriegsführung, beschrieb den Terror als Banderismus und als politischen Übermut seitens Kiew mit dem Ziel der Einschüchterung der Bevölkerung und Spott gegenüber der russischen Delegation bei den anstehenden Gesprächen in Istanbul.

Deutsche Medien hielten sich mit direkten Beschuldigungen gegenüber der Ukraine zurück. Die Tagesschau erwähnte lediglich einen Sabotage-Verdacht. Die dpa reihte die Taten in den Kontext des mehrjährigen russischen Angriffskriegs ein, suggerierend, dass solche Sabotageakte durch die Ukraine als legitim betrachtet werden könnten.

Am späten Vormittag wiederholte das Ermittlungskomitee seine Stellungnahme, ohne dabei von einem Terroranschlag zu sprechen, sondern nur von “Zwischenfällen”. Der frühere Hinweis auf Terrorismus wurde entfernt.

Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, nannte die Zugkatastrophe eine “Tragödie”. Ein anderer Diplomat, Rodion Miroschnik, äußerte Besorgnis über die Vorfälle und wies darauf hin, dass sie “Fragen” aufwerfen.

In nur einer Stunde vollzogen die russischen Amtsträger eine vollständige Kehrtwende in der Bewertung dieser offensichtlichen Sabotageakte. Die Medien berichteten nun überwiegend von “Unfällen”. Doch die Tatsache, dass die Brücken durch absichtliche Sprengungen zerstört wurden, konnte nicht mehr geleugnet werden. Die Zeitung Moskowski Komsomolets enthüllte den Vorfall als Sabotageakt, ohne ihn direkt so zu benennen.

Neue Erkenntnisse ergaben, dass in der Nähe des Unglücksortes verdächtige Personen gesichtet wurden, die sich auffällig verhielten. Sicherheitskräfte fanden später ein Versteck mit Waffen und Sprengstoff im Wald. Am Sonntagabend stürzte dann die Straßenbrücke ein, und Trümmer fielen auf darunterfahrende Züge, wobei mehrere Personen starben.

Die dramatischen Vorfälle bestärken die Einschätzung, dass es sich um eine koordinierte Terroraktion handelte. Warum jedoch bemühten sich russische Beamte und Medien um eine beschönigende Darstellung? Offensichtlich sollte nichts die am selben Tag stattfindenden russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul stören.

Die Maxime lautet noch immer, dass mit Terroristen nicht verhandelt wird. Die unmittelbare Konfliktsituation mit der Ukraine und die bevorstehenden Verhandlungen erforderten wohl ein besonders vorsichtiges Vorgehen seitens der russischen Behörden. Tatsächlich war der Anschlag ein deutliches Signal an die russische Delegation und konnte nicht ignoriert werden. Angesichts dieser Umstände ist eine Verschärfung der russischen Position bei den anstehenden Gesprächen wahrscheinlich.

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