Das zum Werbekonzern Ströer gehörende Nachrichtenportal T-Online hatte vergangene Woche über geleakte Informationen aus dem geheimen Teil einer Sondersitzung des in Berlin tagenden Verteidigungsausschusses berichtet. Durch die Angaben einer weiterhin unbekannten Quelle wurden technische und operative Details zum Taurus-Marschflugkörper bekannt. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, reagierte mehr als empört und kündigte strafrelevante Maßnahmen an. Nun zitiert die Rheinische Post (RP) Inhalte aus dem Brief der FDP-Politikerin an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).
Das Schreiben liegt der RP-Redaktion vor. In dem Brief gibt Strack-Zimmermann genauere Details bekannt, wie viele Anwesende während der als geheim eingestuften Ausführungen von Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer im Raum anwesend waren. Dazu heißt es.
“An der in Rede stehenden Sitzung des Verteidigungsausschusses nahmen insgesamt etwa 105 Personen teil, darunter zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung und der Landesvertretungen.”
Für Strack-Zimmermann ergebe sich damit die Situation, dass “also nicht zwingend ist, dass die Informationsweitergabe aus dem parlamentarischen Raum erfolgt sei”, so die auf fortführende Kriegskonfrontation gegen Russland gepolte Politikerin. Weiter heißt es im Brief:
“Gleichwohl möchte ich Sie über den vorstehenden Sachverhalt in Kenntnis setzen und darum ersuchen, eine Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäß § 353 b Absatz 4 Strafgesetz zu erteilen, damit der Vorgang untersucht werden kann.”
Bundeskanzler Scholz antwortete am Samstag am Flughafen Berlin-Brandenburg zur diesbezüglichen Causa und zu Strack-Zimmermanns Forderung:
“Geheimnisverrat ist etwas, was nicht stattfinden darf. Und deshalb ist es immer richtig und auch in diesem Fall richtig, dass dem nachgegangen wird.”
Die FDP-Politikerin stellte für sich am 15. März unmissverständlich klar:
“Informationen aus einer geheimen Ausschusssitzung zu verraten, ist kein Kavaliersdelikt. Die Anzeige läuft. Wer Geheimnisverrat begeht, um seine eigene Agenda durchzusetzen, hat in einem Parlament nichts zu suchen.”
Die jüngste Ausschusssitzung war genau vor einer Woche als unmittelbare Reaktion auf den sogenannten “Taurus-Leak” initiiert worden. Wer dann im unmittelbaren Anschluss die brisanten Informationen an das Portal T-Online weitergegeben hat, ist weiterhin unbekannt. Durch diesen Leak wurden sensible technische und operative Details zum Taurus-Marschflugkörper bekannt, die weiterhin seitens der ukrainischen Staats- und Militärführung vehement von Deutschland gefordert werden. Der T-Online-Artikel legt zu der Situation im Ausschuss dar:
“Der ebenfalls geladene Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hielt demnach ein 20-minütiges Referat über die wichtigsten Fakten zum Taurus: Neben Einsatzfähigkeit und Stückzahl (die Luftwaffe verfügt nach Schätzungen über rund 600 Taurus) soll Breuer auch über besondere Risiken einer Lieferung für die Sicherheitsinteressen Deutschlands gesprochen haben.”
Eine mit dem Vorgang vertraute Person berichtet T-Online, dass manchen Abgeordneten dabei “die Kinnladen heruntergeklappt” seien. Nach Breuers Vortrag war erst mal Stille im Raum. Selbst diejenigen, die sonst laut Forderungen stellen, hatten keine Fragen mehr.
Der Blogbetreiber und Wirtschaftsjournalist Norbert Häring verbindet in einem aktuellen Beitrag weitere Verknüpfungspunkte zu den scharf geführten Taurus-Diskussionen. Der Artikel trägt die Überschrift: “Das atomare Taurus-Geheimnis”. Häring spielt einleitend auf die Debattensituation im Bundestag an, wo sich Bundeskanzler Scholz und der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen am 13. März einen verbalen Schlagabtausch lieferten. Häring schreibt:
“Scholz sagte – im Bundestag –, ihn ärgere sehr, “dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist”. Das sollte heißen, dass Röttgen es unfair ausnutze, dass Scholz nicht offen über seine Gründe – einer Ablehnung von Taurus-Lieferungen – sprechen könne. Röttgens Erwiderung verstärkte diesen Eindruck noch, statt ihm entgegenzuwirken. Er sagte: “Wenn er auf Geheimwissen verweist, über das ich angeblich verfüge, muss er wohl selbst welches haben”.”
Häring recherchierte eine schriftliche Anfrage der vormaligen Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen, heute BSW, aus dem August des Vorjahres an die Bundesregierung. Ihre Frage lautete:
“Ist der Bundesregierung bekannt, dass Taurus-Marschflugkörper mit verschiedener Bestückung (Multiple Warhead, Modular Payload) und damit auch nuklear bestückbar sind?”
Die Beantwortung der Bundesregierung sorgt dabei für erhebliche Freiräume von potenziellen Spekulationen, so heißt es in der von Dağdelen auf ihrer Webseite zitierten Beantwortung:
“Die Beantwortung der Frage kann in offener Form nicht erfolgen. Die Einstufung als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad ‘VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH’ ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich […]”
Weiter heißt es, dass eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung “auf diese Frage, Rückschlüsse auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ermöglichen würde”. Häring kommentiert in seinem Artikel:
“Ein Dementi klingt anders. Gehen wir also davon aus, dass Taurus-Marschflugkörper mit Atomwaffen bestückt werden können. Oder dass zumindest Russland im Glauben gelassen werden soll, dass dem so ist. Was hieße das bei einer Lieferung an die Ukraine, die mit Russland im Krieg ist?”
Es stelle sich daher final die Frage, ob die sich seitens der Regierungsspitze wiederholenden Verweise und Rechtfertigungen auf eine “vorliegende Komplexität” bei Taurus-Datenmengen- und Übertragungen, den “komplizierten” technischen Details, nur als vorgeschobene Argumentationen verkauft werden, die laut Häring, ein reines politisch-mediales Ablenkungsmanöver darstellen, damit die verunsicherte, aber interessierte Öffentlichkeit “den Elefanten im Raum weiterhin nicht beachtet”.
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