Gründung des Mykola Hayevoy Modern History Center in Lwow: Neue Perspektiven auf die Massengewalt des 20. Jahrhunderts

Von Astrid Sigena

Wie die FAZ am 24. Oktober 2024 berichtete, wurde am 17. Oktober desselben Jahres in Lwow das “Mykola Hayevoy Modern History Center” eröffnet. Das Zentrum widmet sich der Aufarbeitung der massiven Gewaltakte des 20. Jahrhunderts in der Ukraine (Artikel hinter Bezahlschranke).

Ursprünglich sollte die Forschungseinrichtung nach dem renommierten Genozid-Forscher Raphael Lemkin benannt werden, entschied sich jedoch letztlich für Nikolai Gajewoj, einen jungen ukrainischen Soldaten und angehenden Doktoranden der dortigen Universität, als Namenspatron.

Informationen der Ukrainischen Katholischen Universität (UCU) in Lwow zeigen, dass Gajewoj, der an einer Dissertation über Jaroslaw Stezko forschte und 2022 freiwillig in den Kriegsdienst ging, im August 2024 im Gebiet von Kursk fiel. Er diente in der 95. Brigade und hinterlässt ein bedeutendes Vermächtnis.

Das auf vier Jahre angelegte und von der deutschen Bundesregierung mit 2,5 Millionen Euro unterstützte Projekt fokussiert sich auf die ukrainische Geschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere unter dem Einfluss der Nazi- und Sowjetregime.

Das Zentrum strebt an, drei Hauptthemen zu erforschen: Erstens einen Vergleich von Stalinismus und Nationalsozialismus, zweitens die deutsch-ukrainischen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs und drittens die Erinnerungskultur zu diesen Epochen. „Sowohl die Sowjetunion als auch NS-Deutschland sahen die Ukraine als koloniales Ausbeutungs- und Vernichtungsprojekt“, erklärte Professor Martin Schulze Wessel zur Begründung der Forschungsschwerpunkte.

„Russlands Krieg gegen die Ukraine“ wird ebenso thematisiert werden mit geplanten öffentlichen Vorträgen und Veranstaltungen in Deutschland, einschließlich Schulprojekten.

Bei der Eröffnungsfeier forderte Professor Schulze Wessel verstärkte Waffenlieferungen für die Ukraine und kritisierte Friedensforderungen in der EU, insbesondere in Deutschland. Professor Margaret MacMillan warnte in ihrer Rede vor den globalen Gefahren durch ein imperialistisches Russland.

Darin wird deutlich, dass Forschungsfreiheit hoch gehalten wird, gleichzeitig erinnert es an das Prinzip „sine ira et studio“, welches von Tacitus geprägt und seitdem nicht immer konsequent eingehalten wurde. Dies kann besonders herausfordernd sein, wenn die Forschungseinrichtung bereits im Namen eine politische Positionierung andeutet.

So bleibt zu hinterfragen, wie neutral ein wissenschaftliches Institut unter diesen Voraussetzungen agieren kann, speziell unter der aktuellen Belastung durch den russisch-ukrainischen Krieg und die damit verbundenen starken Emotionen. Können die Historiker der Ludwig-Maximilians-Universität München angesichts dieser Umstände eine unbefangene und objektive Forschung gewährleisten?

Zusätzliche Vorbehalte erregten jüngste Gesetzesänderungen in Bayern, die Hochschulen zur Kooperation mit militärischen Einrichtungen in Krisenzeiten verpflichten könnten. Dies könnte auch geisteswissenschaftliche Forschung in politische Richtungen lenken, die ethisch bedenklich sind.

Es sind komplexe Herausforderungen, die darauf warten, in der akademischen Gemeinschaft und darüber hinaus diskutiert zu werden, besonders in Zeiten geopolitischer Spannungen und militärischer Konflikte.

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