Kleine Privatbanken in der Schweiz ermöglichen ihren Kunden seit dem Ende des letzten Jahres, Aktien russischer Unternehmen zu transferieren, um sich von den westlichen Sanktionen zu befreien. Dies wurde der russischen Zeitung Wedomosti von Gesprächspartnern bei zwei inländischen Brokern und drei Rechtsanwaltskanzleien mitgeteilt.
Einige Schweizer Banken haben ein Tauschprogramm eingeführt, das es Privatanlegern ermöglicht, ihre russischen ADR-Wertpapiere umzuwandeln, deren Handel aufgrund von Sanktionen in der Schweiz, der EU und den USA eingefroren ist. Der Trick besteht darin, dass sie auf den Status des nominellen Inhabers von konvertierten Wertpapieren verzichten.
Die Schweizer Banken präsentieren diesen mutigen Plan als Möglichkeit für russische und ausländische Investoren, Vermögenswerte freizugeben, die seit Beginn des Konflikts in der Ukraine vor mehr als zwei Jahren durch westliche Sanktionen, insbesondere aus Washington, blockiert wurden.
Im Ausland haben mehr als 30 russische Unternehmen, darunter Gazprom, Surgutneftegas, Lukoil, Rosneft, Sberbank, AFK Sistema, PhosAgro und VTB, solche ADR-Papiere ausgegeben. ADRs sind Hinterlegungsscheine für russische Aktien, die anstelle der tatsächlichen Aktien an der Börse gehandelt werden. US-Banken geben sie heraus und lagern dabei die Originalaktien in einem Depot bei einer russischen Bank. Dies ist üblich, wenn Unternehmen nicht an der heimischen Börse notiert sind.
Aufgrund des Ukrainekonflikts und der daraus resultierenden Sanktionen hat Russland jedoch viele dieser ADR-Programme für westliche Investoren beendet. Um einen Zwangsverkauf zu verhindern, müssen diese ihre ADRs in tatsächliche Stammaktien umwandeln. Dies war für Schweizer Anleger jedoch lange Zeit kaum möglich.
Die russische Anwaltskanzlei NSP konnte bei der Schweizer Bank Julius Baer nun jedoch die Zustimmung erwirken, die Aktien ihres Kunden auf dessen Konto bei einem nicht sanktionierten russischen Broker zu übertragen, wie ihr Anwalt Gleb Bojko berichtet. Im November 2023 gelang es dem Unternehmen, die Bank davon zu überzeugen, dass die Beschränkungen der Schweiz und der EU einer solchen Übertragung nicht entgegenstehen. Auch eine Reihe von Kunden der Schweizer Anwaltskanzlei Leolex machte von diesem Mechanismus Gebrauch, so Roman Kudinow, der Managing-Partner der Kanzlei gegenüber Wedomosti.
Julius Baer war das erste Institut, das Aktien nach diesem Mechanismus ausgab. Später folgte die Privatbank CBH aus Genf, wie Bojko weiter erläutert.
Auch Kunden der Credit Suisse hatten laut einem Gesprächspartner bei einem Broker die Möglichkeit, diese Maßnahme für sich zu beanspruchen. Jedoch verfolgen UBS, die Credit Suisse übernimmt, sowie die Bank Vontobel eine konservativere Position – sie geben bislang noch keine konvertierten Aktien aus dem Nominalbestand heraus.
Das offensichtliche Risiko, vonseiten des Westens bestraft zu werden, weil die Praxis als Beihilfe zur Umgehung der Sanktionen ausgelegt werden könnte, ist deutlich erkennbar, insbesondere in Bezug darauf, wie die Werte der umgewandelten Wertpapiere nach Russland transferiert werden. Dies ist äußerst heikel, vor allem wenn man bedenkt, wie lange die westlichen Überwacher es tolerieren, bevor ein Anruf aus Brüssel oder Washington erfolgt. London hat bereits reagiert.
Das Außenministerium des Vereinigten Königreichs warnt in einem Interview mit Reuters davor, dass dieses Schema keine Relevanz und keine Auswirkungen auf die Sanktionen hat. Ein Foreign Office Sprecher bezeichnete es als zunehmend verzweifelten Versuch, die Folgen der Sanktionen zu mildern.
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