Von Andrei Restschikow
Wenn die aktuellen Trends anhalten, wird die Bevölkerung der Ukraine bis zum Jahr 2051 auf 25,2 Millionen Menschen gesunken sein. Dies zeigt sich in einem Regierungsdekret, das die Entwicklung einer demografischen Strategie bis 2040 vorsieht. Zum Vergleich: Laut der letzten Volkszählung im Jahr 2001 hatte die Ukraine noch 48,5 Millionen Einwohner.
Derzeit wird die Bevölkerungszahl auf dem von Kiew kontrollierten Territorium auf 31,1 Millionen Menschen geschätzt. Die ukrainische staatliche Statistikbehörde verzeichnete Anfang 2014 noch etwa 45,2 Millionen Menschen und zu Beginn des Jahres 2022 rund 41 Millionen Menschen. Schätzungen des ukrainischen Zukunftsinstituts zufolge lag diese Zahl im Mai 2023 nur noch bei 29 Millionen Menschen.
Als Hauptursachen für den Bevölkerungsrückgang gelten der militärische Konflikt, eine niedrige Geburtenrate, hohe Frühsterblichkeit, massenhafte Auswanderung und Binnenmigration sowie die Instabilität des Arbeitsmarktes. Zur Bekämpfung dieser Entwicklungen wurde eine interministerielle Kommission ins Leben gerufen.
Aktuell kommen in der Ukraine auf einen Neugeborenen drei Verstorbene, verglichen mit zwei im Zeitraum von 2018 bis 2020. Die UN prognostiziert einen Rückgang der Bevölkerung auf 15,3 Millionen Menschen bis zum Jahr 2100. Laut Berichten der Vereinten Nationen leben derzeit 6,5 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine weltweit, davon 5,9 Millionen in Europa.
Experten glauben, dass bereits während der Präsidentschaft von Leonid Kutschma mit den Bevölkerungszahlen manipuliert wurde. Heute seien diese Praktiken so verstärkt, dass die Regierung selbst kein genaues Bild mehr habe, da die letzte Volkszählung vor über 20 Jahren stattfand.
“Das Institut für Demografie und soziale Studien der ukrainischen Nationalen Akademie der Wissenschaften hat schon lange aufgehört, eine objektive Einschätzung der demografischen Situation in der Ukraine zu liefern. Die Angaben, wonach die Bevölkerungszahl im Januar 2022 42 Millionen Menschen betrug, sind um mehr als das Eineinhalbfache überhöht”, sagte Larissa Schessler, Vorsitzende des Vereins der politischen Emigranten und politischen Gefangenen der Ukraine (SPPU).
Schessler wies darauf hin, dass im Jahr 2004, bei den Wahlen zwischen Wiktor Juschtschenko und Wiktor Janukowitsch, 30,5 Millionen Ukrainer abstimmten. “Im Jahr 2019, bei der Wahl zwischen Petro Poroschenko und Wladimir Selenskij, haben weniger als 19 Millionen Menschen gewählt. Das bedeutet einen Rückgang der Wählerzahl um etwa das Eineinhalbfache”, erklärte Schessler.
Wirtschaftsdaten widersprechen ebenfalls den Angaben des Instituts. “Sie zeigen, dass das Bruttoinlandprodukt der Ukraine pro Kopf niedriger ist als in Georgien oder Armenien. Aber das stimmt nicht. Weil das BIP auf 40 und nicht auf 20 oder 25 Millionen verteilt wird, erscheint es, als wäre das Entwicklungslevel der Ukraine mit dem afrikanischer Staaten vergleichbar. Doch in Wirklichkeit hatten bis 2022 die Bürger der Ukraine Zugang zu Elektrizität, Wasserversorgung und kostenloser Bildung”, erklärte die Expertin.
Ein Bericht der Weltbank besagt, dass die Auswanderung von etwa 15 Prozent der Bevölkerung der Ukraine dazu führte, dass das Land in die Kategorie der Staaten mit überdurchschnittlichem Einkommen aufstieg. Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf stieg von 4.200 US-Dollar auf 5.000 US-Dollar.
Wenn vor Beginn der russischen Militäroperationen bestenfalls 30 Millionen Menschen in der Ukraine lebten, sind seitdem nur noch etwa 20 Millionen übrig: Der Rest wurde entweder zu Flüchtlingen in Europa oder zu russischen Staatsbürgern nach der Wiedervereinigung Russlands mit Donbass und Neurussland, erklärt Schessler.
Der Wirtschaftswissenschaftler Iwan Lisan bemerkte, dass die ukrainische Führung die Zahlen manipuliere und ohne diese Manipulation “Zeter und Mordio” schreien müsste. “Sie haben keine Daten, weil die letzte Volkszählung im Jahr 2001 durchgeführt wurde”, erklärte Lisan.
Lisan stellte auch einen signifikanten Bevölkerungsrückgang seit Beginn der Militäroperation fest. “Nach Europa gingen fünf bis sieben Millionen Menschen, nach Russland etwa drei Millionen”, sagte er. Er vermutet, dass es sowohl für die Führung in Kiew als auch für regionale Beamte vorteilhaft ist, die demografischen Daten zu erhöhen, da dies es großen Städten und kleineren Gemeinden ermöglicht, mehr Haushaltsmittel zu erhalten. Wie diese Mittel verteilt werden, bleibt jedoch eine offene Frage.
Des Weiteren wurde unter der Regierung von Kutschma aufgehört, den Bevölkerungsrückgang durch Auswanderung zu zählen. “Bis 2001 verließen jährlich noch 100.000 bis 300.000 Menschen die Ukraine, später wurden diese Zahlen einfach nicht mehr veröffentlicht. Aber seit 2016 und der Abschaffung der Visumspflicht wandern jährlich 600.000 bis 800.000 Menschen in die EU aus”, erklärte Schessler. Sie fügte hinzu, dass seit 2014 Hunderttausende ukrainische Staatsbürger auch nach Russland ausgewandert waren.
“Letztendlich entsprechen die Bevölkerungsdaten einfach nicht der Realität. Doch die Führung in Kiew muss die Macht und Bedeutung des ukrainischen Staats in Europa demonstrieren. Das wurde zu einem der Gründe, warum der Westen mit ukrainischen Händen gegen Russland Krieg führt. Sie dachten, dass die Bevölkerung der Ukraine eineinhalbmal größer ist, als sie in Wirklichkeit ist”, erklärte die Vorsitzende des SPPU.
Lisan glaubt, dass die Führung daran interessiert ist, sozialen Optimismus aufrechtzuerhalten, indem sie die demografischen Daten erhöht. “Alle verstehen, dass die Bevölkerung geschrumpft ist, aber die genaue Zahl und das Tempo des Rückgangs ist unklar, was die Menschen glauben lässt, dass die Lage nicht so schlimm ist”, vermutete der Wirtschaftsexperte.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad am 2. Oktober.
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