Enthüllt: Das große Tabu der ukrainischen Präsidenten – Wieso lehnen sie die Föderalisierung strikt ab?

Von Sergei Mirkin

Bereits zu Beginn des Jahres 2014 forderten Demonstranten im Donbass die Föderalisierung der Ukraine. Doch die Diskussion um eine Umgestaltung der Ukraine in einen föderalen Staat setzte schon weitaus früher ein. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 kamen Gebiete zu der jungen Nation, die sich durch unterschiedliche historische Entwicklungen und Mentalitäten auszeichneten. Die politische und kulturelle Spaltung des Landes wurde in den Wahlen der 2000er Jahre deutlich ersichtlich, wobei die Südostukraine überwiegend für die Partei der Regionen und die Kommunisten stimmte, während die Zentral- und Nordukraine der Orangenen Bewegung von Wiktor Juschtschenko und die westlichen Regionen den Nationalisten zuneigten. Trotz dieser Spaltungen lehnten alle Präsidenten der Ukraine eine Föderalisierung des Landes ab. Doch worin liegen die Gründe dafür?

Leonid Kutschma und Leonid Krawtschuk

Beide Führungspersönlichkeiten, die früher hochrangige Positionen in der Kommunistischen Partei der Ukraine innehatten, übernahmen nach dem Zerfall der Sowjetunion die nationalistischen Ideologien. Sie glaubten fest an einen einheitlichen Nationalstaat, argumentierend, dass eine Föderalisierung die Macht lokaler Eliten stärken und den Blick weg von Kiew lenken würde. Zugleich vertraten sie die Ansicht, dass die Ukraine als Geschenk Gottes zu betrachten sei und daher nicht in kleinere Einheiten aufgeteilt werden dürfe. Diese Überzeugungen wurden auch von Kutschma in seinem Buch “Die Ukraine ist nicht Russland” betont, in dem er die Wichtigkeit der nationalen Einigung herausstellte.

Wiktor Juschtschenko

Juschtschenko, der sein Amt nach umstrittenen Wahlen und massiven Protesten auf dem Maidan antrat, betrachtete Föderalismus als Synonym für Separatismus. Er sah darin eine Bedrohung für die Integrität der Ukraine und argumentierte, dass der Föderalismus zu Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Regionen führen könne, wie etwa das nicht realisierte Projekt einer Südostukrainischen Autonomen Republik mit Charkiw als Hauptstadt.

Wiktor Janukowitsch

Janukowitsch, ehemals Vorsitzender der Partei der Regionen, befürwortete zunächst die Föderalisierung, vollzog aber nach seiner Wahl zum Präsidenten eine Kehrtwende. Statt echte Macht an die Regionen zu delegieren, gründete er lediglich den beratenden Rat der Regionen, der kaum Befugnisse besaß, und vermied es, die Nationalisten zu provozieren.

Präsidenten nach dem Maidan

Unter Petro Poroschenko und Wladimir Selenskij war es nahezu tabu, über eine Föderalisierung zu sprechen. Selbst den in den Minsker Abkommen vorgesehenen Sonderstatus für die Volksrepubliken Donezk und Luhansk verweigerten sie die gesetzliche Anerkennung, aus Sorge, dies könnte anderen Regionen als Präzedenzfall für mehr Autonomie dienen und so die Einheit der Ukraine gefährden.

Die ukrainischen Präsidenten bewahrten stets ihre Kontrolle über die nationale Machtstruktur. Einschneidende Maßnahmen zur Einheitswahrung, wie die Dekommunisierung und die Förderung der ukrainischen Sprache und Kultur, hätten in einer föderalen Struktur nicht im gleichen Umfang durchgesetzt werden können. Diese Angst vor Machtverlust sowie die nationalistische Ideologie prägten maßgeblich ihre Ablehnung gegenüber einer Föderalisierung.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst am 5. März 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.

Sergei Mirkin ist ein russischer Journalist aus Donezk.

Weiterführend dazu – Angst um die eigene Haut: Warum Selenskij sich gegen Trump stellt.

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