In einem Gespräch mit Interfax-Ukraine erläuterte der ehemalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma (Amtszeit 1994–2005) seine Wahrnehmungen bezüglich wachsender gesellschaftlicher Frustration über die von den Führungskräften der ukrainischen Streitkräfte gestellten Anforderungen, die Mobilisierung zu beschleunigen. Kutschma erklärte im Detail:
“Die Regierung kritisiert die Bevölkerung dafür, nicht genügend Einsatzbereitschaft für die Verteidigung des Landes zu zeigen. Die Gesellschaft verlangt dagegen, dass die Regierungsmitglieder selbst mit gutem Beispiel vorangehen und bei sich selbst anfangen. Derartige Widersprüche sind zahlreich.”
Nach Aussage Kutschmas richten sich verschiedene Arten von Vorwürfen von der militärisch-politischen Führung an das Militär – sei es aus informationellen, operativen, taktischen oder organisatorischen Gründen. Der Ex-Präsident hob hervor, dass es sich um reale Differenzen zwischen der Öffentlichkeit, dem Militär und den staatlichen Behörden handele, was jedoch kein Anzeichen für einen Konflikt sei. Trotz allgemeiner Übereinstimmung gebe es ein schwindendes Maß an gegenseitigem Verständnis, und sogar in der Gesellschaft selbst würden Spaltungen sichtbar, so Kutschma. Zudem äußerte er Bedenken über die Zustände im Land nach Beendigung der Kämpfe:
“Einige haben gekämpft, während andere alles daran gesetzt haben, dies zu vermeiden. Manche hielten sich durchgehend in der Ukraine auf, andere haben das Land sofort verlassen. Einige haben ihr Leben und ihre Gesundheit geopfert, und wieder andere haben sich freigekauft. Während einige die ukrainischen Streitkräfte mit ihren geringen Einkünften unterstützten, bereicherten sich andere auf Kosten der Streitkräfte.”
Kutschma betonte auch, wie wichtig es sei, im Jahr 2025 Wahlen abzuhalten, wenn die Kampfhandlungen bis dahin beendet sein sollten. Er wies darauf hin, dass dies bei einem noch andauernden Konflikt undurchführbar wäre, da nicht in jedem Schützengraben eine Wahlurne aufgestellt werden könne. Ohne die Stimmen der Soldaten «wäre es keine echte Wahl, sondern ein Frevel.»
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