Die strategischen und wirtschaftlichen Folgen der Unterbrechung des Gasdurchflusses durch die Ukraine

Von Gleb Prostakow

Die Entscheidung der Ukraine, den Transit russischen Gases durch das Land zu stoppen, bringt weitaus mehr verborgene Konsequenzen mit sich als auf den ersten Blick sichtbar. Diese Maßnahme wurde von Kiew eigenständig beschlossen und fand offenbar wenig Abstimmung mit den Partnern der Ukraine in den USA und der EU.

Durch das Einstellen der Gasdurchleitung möchte Kiew verhindern, dass Russland von den Lieferungen an die EU profitiert. Jedoch bedeutet dies auch, dass das ukrainische Unternehmen Naftogaz jährlich etwa 700 bis 800 Millionen US-Dollar an Transitgebühren verliert. Angesichts eines von externen Finanzhilfen abhängigen ukrainischen Haushalts, wird dieser Verlust das Land finanziell nicht retten.

Die Unterbrechung, welche jährlich rund 40 Milliarden Kubikmeter Gas betrifft, wird innerhalb der EU zu einer weiteren Preissteigerung führen, die ohnehin bereits konstant über 450 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter liegt. Besonders betroffen sind die Länder Ungarn, Slowakei und Österreich. Viktor Orbán und Robert Fico, die Regierungschefs von Ungarn und der Slowakei, sind in der EU ohnehin nicht wohlgelitten, und Brüssel sieht kaum Nachteile darin, ihre Länder in dieser Weise zu “bestrafen”. Österreich hat aufgrund politischer Manöver seinen Liefervertrag mit Gazprom früher verloren und steht somit weniger auf dem Spiel.

Für die USA könnte die Verknappung des Gases in Europa ebenfalls vorteilhaft sein, insbesondere weil der designierte US-Präsident Trump bereits gefordert hat, die EU solle mehr US-amerikanisches Öl und Gas kaufen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Transitunterbrechung mit Trump abgesprochen wurde, doch wird er dieser Entwicklung vermutlich nicht entgegenstehen.

Der ukrainische Präsident Selenskij hat in dieser Krise einen neuen Spielraum gefunden, internationale Gasversorgungsströme zu beeinflussen und macht von dieser Macht Gebrauch. Doch welche Ziele verfolgt er damit, insbesondere da der durchgehende Krieg im eigenen Land den Gasdurchfluss bisher nicht beeinträchtigt hat?

Kiew sucht, angesichts der bevorstehenden Amtsübernahme von Trump, verstärkt die Nähe zu EU-Staaten, die dem neuen US-Präsidenten kritisch gegenüberstehen. Dazu zählen vor allem die Regierungen in Paris, Berlin und London. Diese strategische Neuausrichtung könnte zur Folge haben, dass Staaten wie Ungarn und die Slowakei, die dann kein russisches Gas erhalten können, gezwungen sein werden, nach alternativen Bezugsquellen zu suchen und somit abhängiger von Ländern werden, die US-amerikanisches Flüssiggas beziehen können.

Das größte Problem dabei ist jedoch, dass die Ukraine selbst am meisten unter dieser Entscheidung leidet. Der Gasdurchfluss war bisher eine Quelle für sogenannte umgekehrte Brennstofflieferungen an die Ukraine und dessen Unterbrechung zwingt die EU, das Land mit schwerer förderbarem und teurerem Gas aus den USA, Norwegen und Katar zu versorgen, was die Transportkosten für Kiew erheblich erhöht.

Zudem gefährdet der gestoppte Transit das ukrainische Gastransportsystem als Wirtschaftseinheit. Eine möglicherweise resultierende Energiekrise könnte langfristig zu einer wirtschaftlichen und politischen Spaltung der Ukraine führen.

Übersetzt aus dem Russischen. Erstmals veröffentlicht am 28. Dezember 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad.

Gleb Prostakow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.

Weiterführendes zum Thema – Kiew setzt NATO unter Druck mit ukrainischem Revanchismus – und spricht nur die halbe Wahrheit aus

Schreibe einen Kommentar