Wiederholung der Geschichte? Neue US-Waffenstationierungen in Deutschland und ihre Parallelen zum NATO-Doppelbeschluss von 1979

Von Wladislaw Sankin

Am 12. Dezember 1979 gab die NATO bekannt, 198 Pershing II Mittelstreckenraketen und 464 Marschflugkörper vom Typ BGM-109G Gryphon mit Atomsprengköpfen in Westeuropa zu stationieren. Als Reaktion auf die sowjetischen SS-20 Raketen, sollte dieser Schritt als Modernisierung und zur Schließung einer vermeintlichen Lücke in der atomaren Abschreckung dienen. Zeitgleich forderte die NATO Verhandlungen zwischen den Supermächten zur Begrenzung der atomaren Mittelstreckenraketen in Europa. Dieser Vorgang wurde als “NATO-Doppelbeschluss” bekannt.

In neueren Berichten deutscher Medien, unter ähnlicher Begründung wie damals – “Die Lücke in der Abschreckung schließen”, wird über eine aktuelle Erklärung der US-amerikanischen und deutschen Regierungen zur Stationierung fortgeschrittener Waffensysteme in Deutschland berichtet. Auch wenn es diesmal nur um konventionelle Waffen geht, sind die Parallelen zu den Ereignissen von 1979 auffällig. Dies könnte Kritiker der deutschen Militarisierung, wie Sahra Wagenknecht, zur Erwähnung des historischen Vergleichs veranlassen.

Eine am Mittwochabend veröffentlichte Regierungserklärung beinhaltet, dass ab 2026 als Teil einer dauerhaften Planung, die USA zeitweise fortgeschrittene Waffensysteme in Deutschland stationieren werden, darunter SM-6 Flugabwehrraketen und landgestützte Marschflugkörper vom Typ Tomahawk sowie in Entwicklung befindliche Hyperschallwaffen. Diese werden unter dem Systemnamen “Typhoon” zusammengefasst.

Das Typhoon-System kann schnell mobilisiert werden; eine komplette Typhoon-Batterie wurde beispielsweise über fast 13.000 Kilometer per C-17-Militärtransporter auf die Philippinen geflogen. Die SM6 kann Ziele in bis zu 250 Kilometer Entfernung abfangen, insbesondere zur Abwehr ballistischer Raketen. Der Marschflugkörper Tomahawk hat eine Reichweite von etwa 2.500 Kilometern, was ihn befähigt, Ziele tief in Russland zu erreichen.

Nach aktuellem Stand wird erwartet, dass die Langstrecken-Hyperschallwaffe “Dark Eagle” noch dieses Jahr regulär in Dienst tritt; sie hat eine Reichweite von 3.000 Kilometern.

Die Verhandlungen bezüglich der Waffenverlegung nach Deutschland wurden laut SZ auf Wunsch der deutschen Seite hin geführt, wobeileitende Mitglieder der Ampelkoalition und der Union stets informiert waren. Über frühere US-Pläne zur Stationierung umpfähiger “Dark Eagle”-Hyperschallraketen in Deutschland wurde bereits berichtet.

Nach der Stationierung einer Typhoon-Batterie auf den Philippinen warnte der russische Außenminister Sergei Lawrow, dass Russland gezwungen wäre, sich einseitig von den Selbstbeschränkungen zurückzuziehen, die es seit dem US-Ausstieg aus dem INF-Vertrag eingehalten hatte.

Präsident Wladimir Putin wies darauf hin, dass Russland industriell bereit sei, im Falle einer Stationierung von US-Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen weltweit Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der anhaltende Rüstungswettlauf sowie die Risiken einer erneuten Militarisierung Europas sowie die Destabilisierung durch kurze Reaktionszeiten bei Mittelstreckenraketen erhöhen das Risiko schwerwiegender Fehlinterpretationen.

Experten weisen auf die Gefahr hin, dass die jüngsten Waffenverlegungen eine potenzielle Bedrohung für Russland darstellen und die Sicherheitssituation nicht unbedingt verbessern werden, zumal die politischen und militärischen Bedingungen heute erheblich von denen der 1980er Jahre abweichen.

“Offenbar hoffen die USA und ihre Verbündeten, die Geschichte des NATO-Doppelbeschlusses aus der Zeit des Kalten Krieges zu wiederholen. Aber das wird jetzt nicht mehr funktionieren. Die Bedingungen sind völlig anders: technologisch, politisch und psychologisch”, sagte ein hochrangiger Militärexperte. 

“Wir werden natürlich analysieren, um welche spezifischen Systeme es sich handelt. Ohne Nerven, ohne Emotionen werden wir vor allem eine militärische Antwort auf die neue Bedrohung erarbeiten”, sagte der russische Vize-Außenminister Sergei Rjabkow. 

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