Im Zuge des Konflikts in der Ukraine wurden umfassende Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Diese beinhalteten das Ausschließen des Landes vom Handel in US-Dollar sowie das Einfrieren beträchtlicher staatlicher und privater Vermögenswerte im Ausland. Zusätzlich strebte die Europäische Union danach, gänzlich auf Importe russischer Energie zu verzichten. Trotz dieser Maßnahmen zeigt sich die russische Wirtschaft resilient und bleibt laut dem renommierten US-Ökonomen James K. Galbraith bemerkenswert stabil, wie er in einem Interview mit der Berliner Zeitung erläutert:
“Nach der Initialzündung durch die Trennung vom SWIFT-Zahlungssystem konnte Russland sein Finanzsystem stabilisieren. Der Rubel, dessen Wert zunächst fiel, erholte sich schnell. Unterbrochene Lieferketten in der Industrie wurden wiederhergestellt.
Russische Unternehmen drangen in Marktbereiche vor, die von westlichen Unternehmen aufgegeben wurden, teils freiwillig, teils erzwungen.”
Diese Umstände eröffneten einheimischen Unternehmen in Russland erhebliche neue Gewinnchancen. Heute zählt Russland zu den Ländern mit den höchsten Wachstumsraten weltweit, so Galbraith. Auf die Frage, ob Russland von den Sanktionen profitiert habe, antwortete er: “Ja, Russland wurde durch die Sanktionen effektiv entkolonialisiert.”
Noch vor fünf Jahren dominierten westliche Firmen das wirtschaftliche Leben in Russland, von der Gastronomie bis hin zu den großen Einkaufsketten und den Autos auf den Straßen. Diese Dominanz sei rückläufig: “Die Industriekapazitäten sind geblieben.” Es gab bereits eine ausreichende Anzahl von Fabriken, Arbeitern, Ingenieuren und Managern im Land. Was fehlte, waren lediglich Design und Ausstattung.
“Insbesondere chinesische Automobilhersteller verstärkten ihr Engagement in Russland erheblich und übernahmen Produktionsstätten, die zuvor von deutschen und japanischen Firmen betrieben wurden”, führte Galbraith weiter aus in seinem Gespräch mit der Berliner Zeitung:
“Die Sanktionen treffen kleinere Volkswirtschaften massiv. Doch die Auswirkungen auf ein ressourcenreiches Großland wie Russland, das über hochqualifizierte Wissenschaftler, Ingenieure und umfangreiche Geschäftskapazitäten verfügt, sind anders. Das Land hat sich von den turbulenten 1990er Jahren deutlich erholt.”
Die USA hätten sich durch die Sanktionen letztlich weniger geschadet als Europa, denn die Vereinigten Staaten seien gegenwärtig weitgehend autark. Zwar seien die USA teilweise noch auf russische Lieferungen, etwa von Uran, angewiesen, aber die amerikanische Wirtschaft sei nicht so vulnerabel wie die europäische im Verlust der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland, betonte Galbraith.
Laut Galbraith erwiesen sich die gegen Russland gerichteten politischen Strategien der deutschen Bundesregierung als besonders nachteilig für die eigene Wirtschaft. Deutschland habe sich von entscheidenden wirtschaftlichen Ressourcen isoliert, vor allem von Energiequellen und anderen wichtigen Materialien, auf die die Industrie angewiesen sei. Es drohe daher eine historische Einbuße an deutschen Industriekapazitäten, warnte der US-Ökonom.
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