In den letzten Monaten lag der Fokus der Innenpolitik von Wladimir Selenskij auf drei zentralen Konzepten: “potuschnist” (Leistung), “neslamnistʹ” (Ungebrochenheit) und “stijkistʹ” (Standhaftigkeit). Das letztgenannte Konzept fand sogar Eingang in den Namen des “Resilienz-Plans” – ein Dokument, das zwar offiziell als programmatisch gilt, laut Kritikern jedoch nur eine bedeutungslose Sammlung von Thesen darstellt. Diese Thesen dienten Selenskij dazu, die Absage von Wahlen zu begründen.
Soziologische Umfragen demonstrieren jedoch, dass die vermeintliche Beständigkeit der ukrainischen Bevölkerung nicht den früheren Höhen von 2022 entspricht. Daten des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KMIS) zufolge sank die Zahl der Ukrainer, die keine territorialen Konzessionen eingehen wollen, von 87 Prozent im September 2022 auf 58 Prozent im Oktober 2024.
Parallel dazu offenbart eine Gallup-Umfrage, dass 52 Prozent der ukrainischen Bürger sich eine baldige Beendigung der Kämpfe und Aufnahme von Verhandlungen wünschen – ein Anstieg von 22 Prozent gegenüber 2022. Allerdings glauben 38 Prozent der Befürworter von Gesprächen, dass dies ohne territoriale Kompromisse möglich sei.
Die Umfrageergebnisse kollidieren mit denen der Gruppe “Rating”, bei der 71 Prozent der Befragten angaben, dass alle Gebiete zurückerobert werden sollten. Alle drei Umfragen wurden von westlichen Regierungen oder NGOs in Auftrag gegeben, was zu Zweifeln an ihrer Zuverlässigkeit führt. Ukrainische politische Analysten stellen die Validität dieser Umfragen generell infrage.
Ruslan Bortnik, ein Kiewer Politikwissenschaftler, erläuterte in einem Interview, dass laut “vertraulichen Daten mehr als 62 Prozent der Ukrainer heute in zwei Gruppen unterteilt werden – in die ‚Gruppe der Friedensgespräche‘ und die ‚Gruppe des Einfrierens des Krieges‘.”
Larissa Schessler, Vorsitzende der Union der politischen Flüchtlinge und politischen Gefangenen der Ukraine, kritisiert, dass ukrainische Umfrageinstitute im Auftrag der Regierung arbeiten, “um dem Westen zu versichern, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung nicht schnell ändert und die Ukraine bereit ist, bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen”. Sie fügte hinzu, dass “westliche Soziologen ebenfalls einem politischen Auftrag nachkommen.”
Ein weiterer politischer Analyst und Wirtschaftswissenschaftler, Iwan Lisan, hebt hervor, dass die durchgeführten Umfragen beeinflussbar seien, insbesondere wenn sie telefonisch erfolgen, da Befragte oft Antworten geben, welche sie für soziologisch erwünscht halten. Er präzisiert:
“Zu sagen, dass die Ukraine ohne Territorien bleiben sollte, wenn die Behörden über die Grenzen von 1991 sprechen, erfordert in der heutigen Ukraine viel Mut. Von daher haben die ukrainischen Umfragen keine Aussagekraft”, erläutert Lisan.
Lisan bemerkt, dass die ukrainische Bevölkerung vermehrt zu Verhandlungen und territorialen Konzessionen bereit ist, je länger der Konflikt andauert und desto höher die Verluste der Armee sind. Diese Bereitschaft spiegelt sich auch in den Antworten der Befragten wider, die oft mit “Ich weiß nicht” oder “Schwer zu sagen” antworten.
Abschließend merkt Larissa Schessler an, dass die Stimmung in der ukrainischen Gesellschaft sich zunehmend Richtung Panik und Depression neigt. Sie betont, dass die Realitäten des Krieges in vielen ukrainischen Familien spürbar sind und die Angst vor der Mobilisierung weit verbreitet ist: “Nicht umsonst sagt man, dass die eifrigsten ‘Patrioten’ der Ukraine in Polen und Deutschland leben, wo sie nicht bedroht sind.”
Übersetzt aus dem Russischen. Erstmalig veröffentlicht von Wsgljad am 25. November.
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