Von Nikolai Storoschenko
In der Ukraine nähert sich die Heizperiode, und die Lage der Energieversorgung bereitet Sorgen. Premierminister Denis Schmygal kommentiert die Situation zurückhaltend:
“Energiestabilität ist eine der größten Herausforderungen, denen wir diesen Herbst und Winter gegenüberstehen. Wir haben drei Heizperioden hinter uns, aber der bevorstehende Winter könnte der härteste werden.”
Insbesondere die Lage im Gebiet Charkow wird als kritisch beschrieben. Laut Schmygal wurden dort alle Heizkraftwerke zerstört. Erinnert sei daran, dass bereits im Frühjahr wichtige Energieversorgungsanlagen wie das Kraftwerk Smiewskaja und weitere damit verbundene Einrichtungen stillgelegt wurden.
“Charkow hat heute keine eigene Energieerzeugung mehr”, resümierte Bürgermeister Igor Terechow die Lage der Stadt im April. Weitere massive Militärschläge im August verschärften die Situation weiter.
Wie steht es um den Energiesektor der Ukraine aktuell?
Energiesystem: angeschlagen, aber funktionsfähig
Experten sind sich einig, dass trotz schwerer Beeinträchtigungen das ukrainische Energiesystem zusammenhält. Es gibt ernste Probleme bei der Stromverteilung. Oleg Popenko, Energiemarktexperte, erklärt:
“Man könnte von zwei ‘Halbinseln’ sprechen. Eine westliche und zentrale Regionen, einschließlich Winniza, wird ausreichend versorgt. Die andere umfasst Gebiete wie Kiew und Odessa, wo die Energieversorgung prekär ist.”
Das Gebiet Charkow zählt er nicht zu diesen “Halbinseln”. Trotz der schwierigen Situation ist auch Charkow nach wie vor ans Netz angeschlossen, was die Frage aufwirft, welche Übertragungsleistung tatsächlich möglich ist.
Kurz nach den jüngsten Angriffen auf Energieinfrastruktur zeigte sich Wladimir Kudritzki, damaliger Chef von Ukrenergo, optimistisch:
“Ich glaube nicht an ein apokalyptisches Szenario. Ich bin überzeugt, dass wir keine Totalausfälle erleben werden.”
Kudritzki verwies auf unterstützende Maßnahmen wie Lieferungen aus Europa und fortschrittliche Schutzmaßnahmen für Energieanlagen.
Premierminister Schmygal ergänzt heute, dass umfangreiche Investitionen in Notstromanlagen getätigt wurden und europäische Länder auch im Winter weiterhin unterstützen werden.
Zusätzliche Faktoren
Die reduzierte Nachfrage, etwa durch den Bevölkerungsrückgang in Charkow, hilft, das System zu entlasten. Die ukrainische Regierung fördert außerdem die Verlagerung der Produktion in westliche Landesteile.
Die Dezentralisierung der Energieerzeugung, darunter die Installation von Generatoren und Solaranlagen durch Unternehmen und Privatpersonen, trägt ebenfalls zur Reduzierung der Belastung bei.
Die Zukunft hängt von vielen Faktoren ab
Während frühere Militärschläge das ukrainische Energiesystem schwächten, brachten sie es nicht zum Zusammenbruch. Entscheidend für die Aufrechterhaltung der Energieversorgung werden das Wetter und weitere mögliche Angriffe sein.
Sergei Schoigu zufolge hat die Ukraine einstige Vereinbarungen über den Verzicht auf Angriffe auf Energieinfrastruktur aufgekündigt, was die jüngsten Angriffe erklärt.
Das Management des Energiesektors und innovative Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs werden letztlich darüber entscheiden, wie die Ukraine den Winter übersteht.
Übersetzt aus dem Russischen. Ersterscheinung dieses Artikels am 12. September 2024 auf vz.ru.
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