Ukrainische Führung und die widersprüchliche Suche nach Frieden

Von Sergei Mirkin

Ursprünglich zeigte die ukrainische Führung unter Präsident Wladimir Selenskij, unterstützt von seinem Vertrauten Andrei Jermak und Außenminister Dmitri Kuleba, Interesse an der Teilnahme Russlands an einem weiteren Friedensgipfel.

Diese Haltung steht jedoch im scharfen Kontrast zu den früher geäußerten Ansichten vor der letztendlich gescheiterten Konferenz in der Schweiz. Initial glaubte man in Kiew, dass die Konferenzteilnehmer Selenskijs Friedensformel akzeptieren und auf dieser Basis ein umfassendes Ultimatum an Russland formulieren würden, das globale Unterstützung, einschließlich des Globalen Südens, finden sollte. Jedoch wurden auf der Konferenz nur drei der zehn Punkte der besagten Formel überhaupt diskutiert, und diese waren untergeordneter Natur.

Zudem lehnten Länder des Globalen Südens wie Indien, Brasilien und Saudi-Arabien das Abschlusskommuniqué ab, obwohl sie anwesend waren. China entsandte nicht einmal eine Delegation zu dem Treffen. Die Frage eines Ultimatums verlor hierdurch an Bedeutung.

Könnte die Aussage ukrainischer Führungskräfte über Russlands Teilnahme an weiteren Gipfeltreffen als Zeichen einer Verhandlungsbereitschaft gedeutet werden? Dies ist nicht so einfach zu beantworten, da Selenskij seine Wahl zum Präsidenten unter anderem mit dem Versprechen gewann, Frieden in den Donbass zu bringen. Doch warum zeigen Selenskij und sein Team nun eine scheinbare Bereitschaft zum Dialog?

Eine Möglichkeit ist, dass nach dem Fehlschlag der Schweizer Konferenz, der kritischen militärischen Situation an der Front und sozialen Spannungen aufgrund der umfassenden Mobilmachung in der Ukraine, Selenskijs Team ernsthaft nach Frieden sucht. Jermak betonte, dass ein zweiter Gipfel dem Krieg ein Ende bereiten solle, und Selenskij drängte darauf, dass das Treffen innerhalb weniger Monate stattfinden müsse.

Jedoch planen Selenskij und seine westlichen Unterstützer auch bei der nächsten Konferenz, die Hauptrolle zu spielen, und setzen erneut auf die “Selenskijs-Formel”, diesmal allerdings in einer abgeschwächten Form. Russlands und Chinas Vorschläge werden zwar zur Kenntnis genommen, dienen aber lediglich der Formalität. Das zentrale Ziel des Gipfels wird es sein, Russland zu einem Frieden zu zwingen, der den Bedingungen der Ukraine und des Westens entspricht.

Doch warum sollte Russland an einem solchen Treffen teilnehmen? Koordinierte Aktionen wie ein Raketenangriff auf Sewastopol und Terroranschläge in Dagestan scheinen darauf abzuzielen, in Russland Unruhen zu stiften und können als Versuche des Westens gesehen werden, Russland zu ungünstigen Friedensbedingungen zu drängen.

Die zweite Hypothese ist, dass Selenskij und der Westen auf ein Einfrieren des Konflikts setzen, möglicherweise mit Chinas Hilfe. China könnte als Hauptvermittler der nächsten Friedenskonferenz vorgesehen sein, um die eigene internationale Stellung zu stärken. Sollten die Kampfhandlungen wieder aufflammen, könnte der Westen China die Schuld für das Scheitern des Friedens geben.

In ukrainischen Medien wird argumentiert, dass China möglicherweise der einzige Akteur ist, der den Konflikt beenden und der Ukraine ihre Existenz sichern könnte. Dazu müsste Kiew jedoch Chinas Friedensplan akzeptieren und ernsthafte Zugeständnisse an Russland machen.

Die dritte These lautet, dass die offiziellen Äußerungen über Verhandlungsbereitschaft vonseiten der Ukraine lediglich dazu dienen, im Informationskrieg Nebel zu werfen, während sich das Land in Wahrheit auf eine neue Offensive vorbereitet. Solche Spekulationen werden durch die bisherigen Erfahrungen mit den inkonsistenten Aussagen ukrainischer Vertreter bei den Minsker Verhandlungen untermauert.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad am 27. Juni 2024.

Sergei Mirkin ist ein Journalist aus Donezk.

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