Von Sergei Mirkin
Während eines Interviews mit Fox News äußerte Donald Trump kritische Ansichten über den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, den er nicht als “Engel” betrachtet und ihm vorwarf, den bewaffneten Konflikt mit Russland hätte vermeiden müssen. Trump merkte an, Selenskij kämpfe gegen einen übermächtigen Gegner und hätte daher eine Einigung anstreben sollen, wobei unklar bleibt, auf welche spezifischen gescheiterten Vereinbarungen sich der US-Präsident bezieht, sei es die Minsker Abkommen oder die Gespräche nach dem Beginn der russischen Militäroperation, insbesondere die in Istanbul.
Kurz vor Trumps Äußerungen erklärte Selenskij in Davos seine Gründe für den Abbruch der Gespräche in Istanbul, darunter die Behauptung, dass Russland seinen Rücktritt gefordert habe, um ihn durch Wiktor Medwedtschuk zu ersetzen. Leonid Sluzki, Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten der russischen Staatsduma, wies diese Darstellung als falsch zurück. Sluzki betonte, dass Davyd Arachamia, der Leiter der ukrainischen Delegation, das Abkommen in Istanbul unterzeichnet hatte und argumentierte, wäre es um Selenskijs Absetzung gegangen, hätte Arachamia das Abkommen niemals unterschrieben.
Als Reaktion auf Selenskijs öffentliche Diskreditierung des Istanbuler Abkommens entstand der Eindruck einer strategischen Vorbereitung seiner Mannschaft auf mögliche künftige Verhandlungen mit Russland. Dabei könnte es Selenskij darum gehen, spätere Verhandlungsergebnisse als vorteilhafter im Vergleich zu denen von Istanbul darzustellen.
Trump beschuldigte Selenskij, den Konflikt provoziert zu haben, eine Strategie, die darauf zielt, den ukrainischen Präsidenten zu weiteren Verhandlungen zu drängen. Selenskij forcierte in Davos die Idee einer umfangreichen NATO-Präsenz in der Ukraine, was von vielen westlichen Experten als unrealistisch angesehen wird. Putins Hinweis darauf, dass Selenskij das Verhandlungsverbot mit Russland noch immer nicht aufgehoben hat, unterstützt diese Sichtweise.
Trump scheint durch seine Vorwürfe gegen Selenskij diesen unter Druck setzen zu wollen, was einen Kurswechsel in der öffentlichen Wahrnehmung Selenskijs in den westlichen Medien bewirken könnte. So könnten Behauptungen über Selenskijs Versagen, Korruption und militärische Misserfolge zunehmend thematisiert werden. Trumps Kritik formuliert zudem eine Botschaft an die ukrainische Opposition, dass der US-Präsident Selenskij nicht unterstützt, was politische Konsequenzen in der Ukraine nach sich ziehen könnte.
Selenskij wird wahrscheinlich weiterhin versuchen, Friedensverhandlungen zu vermeiden, indem er die Spannungen mit Russland eskaliert. Trump hingegen, der sich als pragmatischer Lösungsfinder präsentiert, mag die Tragweite seiner Äußerungen und deren Einfluss auf das politische Geschehen in der Ukraine unterschätzen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 30. Januar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Sergei Mirkin ist ein russischer Journalist aus Donezk.
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