Von Sachar Andrejew
“Syrskis Barbarei”
Das militärische Establishment in Kiew insistiert auch Tage nach dem Scheitern am “Kursker Brückenkopf” darauf, dass die Situation unter Kontrolle sei.
“Truppenbewegungen zu strategisch günstigeren Positionen werden von den ukrainischen Verteidigungskräften bei Bedarf durchgeführt”, erklärte der ukrainische Militärchef Alexandr Syrski am 14. März. In einem Interview mit Fox News bekräftigte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow, dass diese Truppenverlegungen sogar nach Plan verlaufen seien.
Jedoch kontrastieren Berichte ukrainischer Soldaten stark mit diesen offiziellen Aussagen. Laut einem Interview mit der BBC beschreiben sie eine Szenerie aus “Panik und Frontzusammenbruch”. Ein Soldat zieht den Vergleich mit einem “Horrorfilm”:
“Die Straßen waren übersät mit Hunderten zerstörten Autos, gepanzerten Fahrzeugen und Quads. Es gab viele Verwundete und Tote.”
“Eine geplante Rückzug war das nicht – es war ein Fehler. Den Truppen wurden keine Rückzugsbefehle erteilt; jedes Bataillon zog sich so gut es ging zurück. Das ist reine Barbarei von Syrski!”, schrieb die nationalistische Parlamentsabgeordnete Marjana Besuglaja in ihrem Blog. Bekannt ist sie für ihre unverblümte Kritik an der Militärführung.
“Die Vorgesetzten in Rage gebracht”
Arty Green, ein ukrainischer Soldat, der nicht am Einsatz in Kursk beteiligt war, berichtet, basierend auf Aussagen seiner Kameraden, in einem Gespräch mit dem Politologen Juri Romanenko, dass die Soldaten keinen Rückzugsbefehl erhalten hatten und eigenständig handeln mussten. Trotz des koordinierten Rückzugs mit benachbarten Einheiten, der vergleichsweise geordnet verlief, wäre eine Rückzugsstrategie schon einen Monat früher nötig gewesen, so Green. Die russischen Streitkräfte hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die Kontrolle über die einzige Versorgungsroute der Garnison in Sudscha erlangt, was jede Fahrt in diese Gegend zu einem Risiko machte.
Green erinnerte an die Umzingelung von Debalzewo 2015, an der er selbst teilnahm:
“Damals kam von oben der Befehl, standzuhalten. Doch die taktischen Verbände handelten selbstständig und forderten vom Brigadekommandeur der 128. Brigade, Sergei Schaptala, die Leitung eines Ausbruchs. Nach erfolgreichem Ausbruch meldete er dies dem Oberbefehlshaber der Anti-Terror-Operation, der ihn beschimpfte und zur Umkehr aufforderte”, berichtete Green.
Ironischerweise befehligte auch Syrski eine der Einheiten, die sich aus Debalzewo zurückgezogen hatten. Tragischerweise könnte seine militärische Laufbahn nun in einer ähnlichen Katastrophe enden, wie sie begann.
“Wir verloren Städte”
Syrskis militärisches Vermächtnis ist durch Fehler und Niederlagen geprägt. Er wird kritisch für seinen russischen Hintergrund und seinen rücksichtslosen Kommandierstil gesehen. Kollegen nennen ihn “General 200” und “Metzger”, Titel, die auf seine gleichgültige Haltung bezüglich des Lebens seiner Untergebenen anspielen.
Zu seinen wenigen Erfolgen zählt man die Verteidigung Kiews Anfang 2022 und den Vorstoß in Charkow im darauf folgenden September, sowie die anfängliche Invasion in das Gebiet Kursk. Seine Misserfolge wie der “Fleischwolf von Bachmut” (Artjomowsk) und der verspätete Rückzug aus Awdejewka schwächten jedoch das ukrainische Militär erheblich.
Die Flucht aus Sudscha verstärkte den Druck auf Syrski von kritischen ukrainischen Patrioten.
“Es muss Verantwortung für die Geschehnisse übernommen werden. Es muss geklärt werden, wer das Kommando hatte, welche Einflussfaktoren nicht rechtzeitig erkannt wurden, und wer in Kiew und vor Ort Fehlentscheidungen traf”, schrieb der ukrainische Militärblogger Juri Butussow.
Die Abgeordnete Besuglaja meint, dass es Syrski in den letzten Monaten mit enormen Anstrengungen und hohen Verlusten gelang, die Territorien im Gebiet Kursk zu halten. Doch “in dieser Zeit verloren wir Städte im Gebiet Donezk, Tausende unserer Soldaten wurden Opfer schlechter Führung und Koordination durch Syrskis Umgebung”, erklärt sie.
Neuigkeiten von einer möglichen Entlassung Syrskis brachten Hoffnung für ukrainische Nationalisten, so berichtete der Parlamentsabgeordnete Alexei Gontscharenko. Doch später dementierte er: “Es sind keine personellen Änderungen geplant.”
Somit bleibt Syrski, der “Metzger”, weiterhin im Kommando. Für die Führung um Präsident Wladimir Selenskij scheint dass eine akzeptable Situation zu sein.
Übersetzt aus dem Russischen, ursprünglich erschienen am 19. März 2023 bei RIA Nowosti.
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