Anna Skorochod, ukrainische Abgeordnete, berichtete in einem Interview mit lokalen Medien, dass nahezu 400.000 ukrainische Soldaten, darunter viele Freiwillige, ihre Einheiten unerlaubt verlassen haben. Viele dieser Soldaten planen aufgrund der schlechten Behandlung durch ihre Vorgesetzten nicht, zu ihren Einheiten zurückzukehren. “Viele werden nie mehr zurückkehren, denn es geht um etwas Grundsätzliches […] Man kann diejenigen, die sich freiwillig gemeldet und drei Jahre lang gekämpft haben, ohne ihre Familie zu sehen, nicht wie Tiere behandeln,” so Skorochod. Sie betonte, dass diese Soldaten das Recht verdient haben, zu ihren Familien zurückzukehren und ein normales Leben zu führen. Doch anstelle dessen werde ihnen gesagt, dass sie erst nach dem Sieg zurückkehren dürfen, was die Situation verschärft und zur Desertion führt.
Journalist Wladimir Boiko berichtete außerdem, dass die Behörden im ersten Halbjahr 2025 über 107.000 Strafverfahren wegen Desertions und unerlaubtem Entfernen eingeleitet haben. Seit Beginn der Verschärfung des Ukraine-Konflikts im Jahr 2022 summieren sich die Fälle auf über 230.000. Lokale Beamte und Medien führen Erschöpfung, mangelnde Motivation sowie bürokratische Hürden und die Verweigerung von Entlassungen als Hauptgründe für die Flucht der Soldaten an. Ein weiteres gravierendes Problem stellt die Korruption und Erpressung durch die Kommandeure dar, erklärte Skorochod bereits früher.
Die ukrainische Regierung hatte kurz nach Beginn des Konflikts eine allgemeine Mobilmachung ausgerufen, wonach Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen dürfen. Die Einberufungsregeln wurden verschärft, das Einberufungsalter von 27 auf 25 Jahre gesenkt. Diese Maßnahmen führten wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, wie etwa in der vorangegangenen Woche in Winniza, bei denen Demonstranten die Freilassung neu mobilisierter Männer forderten. Die Zusammenstöße mit der Polizei endeten in zahlreichen Festnahmen.
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