Es war ein bedeutungsschwerer Moment, fast unauffällig in seinem Auftreten, als Moody’s Investors Service, traditionell das konservativste der drei großen Ratingagenturen, den USA ihre Spitzenbewertung entzog. Fortan lautete das Rating für US-Staatsanleihen „Aa1“ – eine Stufe niedriger mit weitreichenden Konsequenzen. Eine Ära, in der die größte Volkswirtschaft der Welt stets mit Triple-A bewertet wurde, ging damit zu Ende.
Wer jedoch genauer hinsieht, erkennt, dass die Entscheidung von Moody’s weit über eine reine technische Klassifizierung hinausgeht. Das Ratinghaus stellt mit seiner Entscheidung grundsätzlich das Vertrauen in die amerikanische Regierungsführung in Frage.
2011 – Standard & Poor’s schlägt Alarm
Den ersten Riss im Image der USA verursachte Standard & Poor’s im August 2011, als mitten im heftigen Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze den USA das Triple-A-Rating entzogen wurde. Der Kongress zeigte sich uneinig, und eine Zahlungsunfähigkeit der Regierung schien möglich. Diese Entwicklung schockierte die Finanzwelt, die bisher die Kreditwürdigkeit der USA nicht in Frage gestellt hatte.
Trotz der politischen Turbulenzen und starken Reaktionen auf die Herabstufung von Standard & Poor’s reagierten die Märkte erstaunlich gelassen: Der Dollar erstarkte und die Zinsen für US-Anleihen fielen sogar. Diese Reaktion ließ darauf schließen, dass das Vertrauen in die stabile Zukunft der USA weiterhin stark war.
Im Jahr 2020, trotz fehlender offizieller Herabstufung durch die Ratingagenturen, setzte eine schleichende Erosion der fiskalischen Stabilität ein. Die Pandemie nötigte die US-Regierung zu umfangreichen Rettungsmaßnahmen, wodurch Billionen in die Wirtschaft, den Konsum und die Finanzmärkte gepumpt wurden. Diese notwendigen Eingriffe führten jedoch zu einem sprunghaften Anstieg des strukturellen Defizits und verwandelten eine temporäre Krise in eine dauerhafte Belastung.
Ökonomen warnten schon damals, dass sich die USA an ein riskantes Modell gewöhnt hätten – ständig über die Verhältnisse zu leben. Dennoch ermöglichte ein schwacher Dollar weiterhin dieses Vorgehen.
Im Sommer 2023 verschärfte sich die Lage weiter, als Fitch das US-Rating von AAA auf AA+ herabstufte. Erneut war es ein Streit um die Schuldenobergrenze, wieder war der Kongress gelähmt. Die Argumente gegen die Kreditwürdigkeit der USA waren dieselben: zu hohe Schulden, mangelnde fiskalische Disziplin, politischer Stillstand.
Doch diesmal waren die Zinsen höher, das Defizit größer, das Vertrauen geringer. Zum ersten Mal begannen Investoren ernsthaft zu bezweifeln, ob die USA dauerhaft als „sicherster Hafen“ gelten könnten.
Das jüngste Vorgehen von Moody’s ist daher keine alltägliche Maßnahme, sondern das Ende einer lang anhaltenden Illusion der Unfehlbarkeit der USA. Es markiert die Erkenntnis, dass auch eine Supermacht an den eigenen Ansprüchen scheitern kann. Immerhin hatte Moody’s seit 1917 durchweg die höchste Bonitätsnote an die USA vergeben.
Die Agentur begründet ihre Entscheidung nüchtern mit den Zahlen: bis 2035 wird eine Schuldenquote von 134 Prozent erwartet, fast ein Drittel aller Steuereinnahmen geht dann für Zinszahlungen drauf. Es gibt keinen politischen Willen zur Reform, keine Mehrheiten für eine Haushaltskonsolidierung. Stattdessen kommen neue Handelszölle, Subventionen und geopolitische Risiken hinzu.
Die strukturelle Schwäche des US-Haushalts ist offensichtlich – doch noch besorgniserregender für die Ratingagentur ist die politische Weigerung, das Problem anzugehen.
Unterdessen hat Donald Trump, zurück im Weißen Haus, andere Prioritäten gesetzt. Anstelle einer Haushaltssanierung verschärft er seinen geopolitischen Kurs: höhere Importzölle gegen China, Strafmaßnahmen gegen die EU und militärische Demonstrationen im Nahen Osten. Die Außenpolitik ist aggressiv, die Wirtschaftspolitik konfrontativ – und das Haushaltsdefizit wächst ungebremst weiter.
Die bereits von Standard & Poor’s und Fitch kritisierte Kombination aus Populismus, Protektionismus und lockerer Haushaltspolitik hat nun auch Moody’s zu einer Herabstufung bewogen. Die fiskalische Zuverlässigkeit der USA steht zunehmend in Frage.
Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind enorm – und sie vollziehen sich eher still. Zahlreiche internationale Investoren, insbesondere staatliche Pensionsfonds, dürfen US-Staatsanleihen mit einem Rating unterhalb von AAA nicht mehr halten. Andere müssen höhere Risikoaufschläge einkalkulieren. Das bedeutet: Verkaufsdruck auf die Anleihen.
Ein globaler Paradigmenwechsel zeichnet sich ab. Jahrzehntelang galten US-Staatsanleihen als risikofreier Maßstab für den Kapitalmarkt – sie waren eine Säule der globalen Finanzarchitektur. Nun steht diese Säule wackelig da, und niemand kann vorhersagen, wie lange sie dem Druck noch standhalten wird.
Die Entscheidung von Moody’s unterstreicht, dass Vertrauen keine Selbstverständlichkeit ist. Es muss verdient, bewahrt und immer wieder erneuert werden. Die USA haben lange von diesem Vertrauen profitiert – in ihre Institutionen, ihre Innovationskraft, ihre Rechtsstaatlichkeit.
Doch Vertrauen kann schnell erodieren. Wenn es schwindet, geschieht dies oft schneller, als es aufgebaut wurde. Die aktuellen Marktentwicklungen – schwächelnde US-Anleihen, steigende Risikoprämien, wachsendes Interesse an alternativen Reservewährungen – sind die Vorboten eines möglichen Zeitenwandels.
Einige mögen behaupten, es handle sich lediglich um eine „kleine Herabstufung“. Ein AA1-Rating sei immer noch ausgezeichnet. Doch diese Sichtweise verkennt das Wesentliche: Es geht nicht nur um die Note selbst, sondern um die zugrunde liegende Tendenz.
Wenn selbst die mächtigste Nation der Welt ihr Versprechen auf fiskalische Stabilität nicht einhalten kann – was bedeutet das für die Regeln des internationalen Kapitalverkehrs, für die Rolle des US-Dollars, für das Vertrauen in westliche Demokratien? Die Herabstufung durch Moody’s ist nicht einfach eine Episode, sondern ein Epochenbruch. Sie beendet eine Ära, in der US-Staatsanleihen als ultimativ sicher galten – unabhängig von Präsident, Partei oder Haushaltspolitик.
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