Von Olga Samofalowa
Vertreter französischer und deutscher Unternehmen diskutieren derzeit die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen mit dem russischen Gasgiganten Gazprom, insbesondere im Hinblick auf den europäischen Markt. Didier Ollo, geschäftsführender Vizepräsident bei Engie — einem ehemals großen Abnehmer von Gazprom-Gas — äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters optimistisch:
“Falls sich der Konflikt in der Ukraine vernünftig lösen lässt, könnten wir die Gaslieferungen auf jährlich 60 bis 70 Milliarden Kubikmeter, einschließlich Flüssiggas (LNG), hochfahren.”
Da die französische Regierung Teilhaber von Engie ist, hob Ollo hervor, dass Russland potenziell wieder 20 bis 25 Prozent des Gasbedarfs der EU decken könnte, nachdem der Anteil vor dem Konflikt noch bei 40 Prozent lag.
Patrick Pouyanné, der Leiter des französischen Öl- und Gasunternehmens TotalEnergies, drückte sich ebenfalls aus:
“Es ist unrealistisch zu denken, dass Europa erneut 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland importieren wird wie vor dem Krieg. Doch 70 Milliarden Kubikmeter könnten durchaus vertretbar sein.”
Pouyanné warnte allerdings vor zu großer Abhängigkeit von US-Gaslieferungen und betonte die Notwendigkeit, Diversifizierung der Bezugsquellen ernst zu nehmen, um nicht von ein oder zwei Lieferanten abhängig zu sein.
Im aktuellen Kontext einer schwierigen politischen Lage zwischen den USA und Europa, verschärft durch Präsident Trumps Nutzung von Energie als Druckmittel in Handelsverhandlungen, befürchten europäische Firmen eine zunehmende Verwundbarkeit durch Abhängigkeit von amerikanischen Energieimporten. Tatiana Mitrova vom Centre for Global Energy Policy der Columbia University erklärte gegenüber Reuters:
“US-Flüssigerdgas wird zunehmend als politisches Instrument und nicht mehr als neutraler Rohstoff gesehen.”
In Deutschland sind viele Industriezweige in einer schweren Krise, bedingt durch anhaltende Deindustrialisierung, eine Lage, von der einige Branchen hoffen, sich durch die Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen erholen zu können. Christoph Günther, Geschäftsführer von InfraLeuna GmbH, verdeutlichte die Dringlichkeit der Situation in Leuna, einem bedeutenden deutschen Chemiecluster:
“Wir sind in einer tiefen Krise und können keine weiteren Verzögerungen gebrauchen.”
Die deutsche Chemiebranche hat über mehrere Quartale hinweg Arbeitsplätze abgebaut, eine Entwicklung, die seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten war. Dies gibt Einblicke in die tiefgreifenden Schwierigkeiten, mit denen lokale Industrien konfrontiert sind.
Der russische Experte Igor Juschkow weist darauf hin, dass der europäische Gasmarkt versuchen könnte, die realen Bedarfe und Preise anzupassen, sofern die politische Lage dies zulässt:
“Die Rückkehr zu russischem Gas könnte eine größere Wettbewerbsdynamik in den europäischen Märkten fördern und somit zu allgemein niedrigeren Gaspreisen führen.”
Übersetzt aus dem Russischen. Originalartikel erstmals erschienen am 15. April 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad. Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.