Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte reduziert, womit dieser nun auf 2,75 Prozent fällt. Diese Maßnahme, die sich einer Serie von Zinssenkungen seit dem Sommer 2024 anschließt, zielt darauf ab, die Wirtschaft im Euroraum zu unterstützen. Die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten sind jedoch nach wie vor von Unsicherheit geprägt.
Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, sieht sich mit einer heiklen Balance konfrontiert: Trotz einer Inflationsrate von 2,4 Prozent, die noch nicht vollständig unter Kontrolle ist, kämpft die Wirtschaft im Euroraum mit Schwächen. Die Reduzierung des Zinssatzes soll die wirtschaftliche Aktivität ankurbeln, birgt jedoch Risiken – es ist ein Balanceakt ohne Sicherheitsnetz.
Ein zentrales Argument für die Zinssenkung ist der nachlassende Lohndruck. Insbesondere in den Dienstleistungssektoren trugen steigende Löhne bisher zur anhaltenden Inflation bei. Nun geht die EZB davon aus, dass dieser Druck nachlässt, was zu einer weiteren Abnahme der Inflationsrate führen sollte.
Nicht alle Wirtschaftsexperten sind allerdings von dieser Annahme überzeugt. Analysten der Commerzbank äußern Bedenken, dass langfristige Faktoren wie Deglobalisierung, demografische Veränderungen und Klimapolitik weiterhin für hohen Preisdruck sorgen könnten. Zusätzlich könnten Handelskonflikte mit den USA zu steigenden Importpreisen führen.
Die Zinssenkung könnte ebenfalls Auswirkungen auf den Euro haben, der bereits in den vergangenen Monaten im Vergleich zum US-Dollar an Wert verloren hat. Falls sich dieser Trend fortsetzt, könnten die Kosten für importierte Waren steigen und somit die Inflation weiter antreiben.
An den Finanzmärkten wird darüber spekuliert, dass die EZB die Zinsen bis Mitte des Jahres auf 2,25 Prozent und bis Oktober auf 2 Prozent senken könnte, was eine deutliche Lockerung der Geldpolitik signalisieren würde.
Die Erwartungen in Europa und den USA gehen jedoch auseinander. Während die US-Zentralbank Fed voraussichtlich weniger Zinssenkungen durchführen wird, da die US-Wirtschaft stärker wächst und die Inflation dort resistenter erscheint, könnte dies Kapitalflüsse von Europa in die Vereinigten Staaten begünstigen, was den Euro zusätzlich schwächen würde.
Die EZB steht damit vor einer anspruchsvollen Herausforderung: Die europäische Wirtschaft benötigt dringend Unterstützung, zu ausgeprägte Zinssenkungen könnten jedoch neue Probleme provozieren. Die nächsten Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, ob die aktuelle Politik der EZB den erhofften Erfolg erzielt oder weitere Schwierigkeiten heraufbeschwört.
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