Westliche Unternehmen in Russland: Zwischen Rückzug und Verbleib

Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben zahlreiche international tätige Unternehmen ihre Aktivitäten in Russland eingeschränkt oder sich komplett zurückgezogen. Einige jedoch haben sich entschieden zu bleiben und sehen sich zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, darunter eine Erholung des Verbrauchermarktes und umfangreichere bürokratische Hürden durch Moskau, die den Rückzug erschweren. Dies berichtet die Financial Times.

Unternehmen wie der Kosmetikproduzent Avon Products, der französische Industriegaslieferant Air Liquide und der britische Haushaltschemikalienhersteller Reckitt werden in dem Bericht als Beispiele für Firmen genannt, die ihre Pläne, Russland zu verlassen, revidiert haben.

Avon hat beispielsweise den Verkauf seiner russischen Geschäftseinheiten eingeleitet und trotz erhaltenen Angeboten entschieden, diese nicht anzunehmen. Das Unternehmen begründet dies wie folgt: “Seit mehr als 135 Jahren setzt sich Avon für Frauen ein, wo immer sie sich auf der Welt befinden, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Nationalität, ihrem Alter oder ihrer Religion.”

Obwohl PepsiCo im März 2022 ankündigte, den Verkauf und die Produktion seines Hauptgetränks in Russland einzustellen, bleibt das Unternehmen weiterhin mit einem Molkereibetrieb präsent, der 20.000 Menschen direkt und 40.000 Landarbeiter indirekt beschäftigt, so die FT.

Ein Manager, der in Russland mit westlichen Firmen zusammenarbeitet, merkte an, dass ein Rückzug momentan nicht sinnvoll sei, da Unternehmen ihre Firmen sonst zu sehr niedrigen Preisen veräußern müssten, was Verluste von bis zu 90% bedeuten könnte.

Ein weiterer informierter Gesprächspartner betrachtete den Rückzug 2022 als “moralische Verpflichtung”. Ein Vertreter erklärte: “Bei der aktuellen Welle geht es eher um die Frage, ob man wirklich gehen muss. Ob man gehen will. Manche dieser Unternehmen haben in 30 Jahren vier, fünf Fabriken aufgebaut. Die werden sie nicht für 90 Prozent Rabatt verkaufen.”

“Bei der aktuellen Welle geht es eher um die Frage, ob man wirklich gehen muss. Ob man gehen will. Manche dieser Unternehmen haben in 30 Jahren vier, fünf Fabriken aufgebaut. Die werden sie nicht für 90 Prozent Rabatt verkaufen.”

Nelson Peltz, Vorstandsmitglied von Unilever, bekräftigte gegenüber der FT seine Haltung, den russischen Markt nicht aufzugeben: “Wenn wir uns aus Russland zurückziehen, werden sie unsere Marken übernehmen. Das halte ich für kein gutes Geschäft”, und fügte hinzu, dass Konkurrenten wie P&G und Colgate-Palmolive ebenfalls geblieben sind. “Warum zum Teufel sollten wir das tun?”

Die letztendliche Entscheidung, Russland zu verlassen, beinhaltet erhebliche finanzielle Einbußen. Unternehmen aus sogenannten unfreundlichen Ländern müssen eine Abschlagszahlung von 50% auf den Verkauf ihrer Vermögenswerte leisten und zusätzlich 15% Ausstiegssteuer zahlen. Zusätzlich wird es ausländischen Firmen erschwert, lokale Kunden zu gewinnen.

Die Nachrichtenagentur Reuters schätzte im März, dass ausländische Unternehmen durch den Rückzug mehr als 107 Milliarden US-Dollar verloren haben. Die Yale School of Management zufolge haben seit 2022 rund 1.000 Unternehmen Russland verlassen.

Vor einem Jahr erließ Wladimir Putin ein Dekret zur möglichen Verstaatlichung von Vermögen ausländischer Firmen als Antwort auf die Beschlagnahmung russischen Vermögens im Ausland. Dem Kreml zufolge gestatte die derzeitige Situation keinen “freien Abzug” westlicher Unternehmen.

Mehr zum Thema – Reuters: Eingefrorene Russland-Gelder schrumpfen in Deutschland um 1,3 Milliarden Euro 

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