Finanzpolitische Zwickmühle: Deutschland zwischen Schuldenbremse und Wirtschaftskrise

Die Haushaltsverhandlungen in Deutschland treten in eine neue Phase, wobei die aktuelle Einigung wesentliche Finanzierungslücken aufweist und rechtliche Unsicherheiten birgt. Die Bundesregierung hat zu fragwürdigen Buchhaltungsmethoden gegriffen, indem sie bisherige Zuwendungen an staatliche und staatsnahe Unternehmen nun als Darlehen verbucht.

Das Dilemma der Bundesregierung liegt darin, gleichzeitig die Schuldenbremse zu wahren und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) zu respektieren, deren Zinsentscheidungen als unantastbar gelten, selbst wenn sie offensichtliche Mängel aufweisen.

In einem Beitrag für Telepolis hebt der Ökonom Heiner Flassbeck hervor, dass die Regierung versucht, durch marginale Anpassungen ökonomisches Wachstum zu stimulieren. Allerdings zeigt Flassbeck auf, dass die von der Regierung vorgeschlagene Entbürokratisierung und Umschichtung sowie der Druck auf Arbeitslose nicht die erforderlichen makroökonomischen Impulse liefern, um umfangreiche Investitionen anzukurbeln.

Deutschland steckt in einer Rezession, was sich in stetig fallenden Auftragseingängen seit dem Frühjahr 2022 manifestiert. Flassbeck erläutert, dass es sich hierbei nicht um eine temporäre konjunkturelle Krise handelt.

“Ich beobachte die deutsche Wirtschaft seit fast 50 Jahren sehr regelmäßig. Das, was derzeit passiert, hat es in Deutschland in dieser langen Zeit nie gegeben: Die Wirtschaft befindet sich in einer langen und schweren Rezession, aber die Politik will es nicht wahrhaben.”

Die politischen Führer Deutschlands verharren im Glauben, die Krise durch einfaches Abwarten zu überwinden. Flassbeck warnt, dass diese Haltung zu langfristigen Einkommensverlusten und einem Rückgang der Investitionskapazitäten führen könnte. Dies hätte den dauerhaften Verlust von Arbeitsplätzen und eine Vergrößerung des technologischen Rückstands gegenüber anderen Volkswirtschaften zur Folge.

Flassbeck schlägt zwei Maßnahmen vor: Deutschland sollte auf deutliche Zinssenkungen seitens der EZB drängen oder der Staat muss selbst als Investor aktiv werden.

“Solange das grundlegende Zinsproblem nicht gelöst oder durch massive staatliche Nachfragepolitik überspielt worden ist, wie in den USA, ist jeder Versuch, durch kleine Justierungen Großes zu bewirken, zum Scheitern verurteilt”, kritisiert Flassbeck die Politik der Regierung.

Es ist zudem eine offene, ideologiefreie Debatte über die Rolle von Staatsschulden und ihre Bedeutung für die Wirtschaft notwendig. In Deutschland herrscht eine generelle Ablehnung gegenüber Staatsverschuldung, die ohne Ausnahme als negativ angesehen wird. Ohne diese Schuldenaufnahme sind jedoch keine Investitionen und somit kein Wachstum möglich. Wenn die Privatwirtschaft und die Bürger zurückhaltend sind, bleibt nur der Staat, um diese Rolle zu übernehmen.

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