von Hans-Ueli Läppli
Ein Wendepunkt in Jerome Powells Karriere wurde bei seiner Rede in Jackson Hole offensichtlich: Es war das letzte Mal, dass er als unabhängiger Vorsitzender der US-Notenbank auftrat.
Auf Druck des Weißen Hauses kündigte Powell eine Zinssenkung an, eine Maßnahme, die Präsident Donald Trump seit Monaten vehement gefordert hatte. Mit dieser Ankündigung wandelte sich Powell zur “lame duck”, also zu einer entscheidungsschwachen Führungskraft, bis zu seinem geplanten Rücktritt im Mai 2026.
Zunächst reagierten die Finanzmärkte euphorisch: Der Dow Jones schoss um fast 800 Punkte in die Höhe, Kryptowährungen erreichten neue Rekordwerte. Doch diese Begeisterung verdeckt eine unangenehme Wahrheit: Zinssenkungen am Ende eines Wirtschaftszyklus sind oft nicht das Zeichen eines neuen Aufschwungs, sondern deuten eher auf bevorstehende ökonomische Korrekturen hin.
Powell selbst begründete seinen Schritt mit der sich abschwächenden Inflation, doch viele Analysten sehen diese Maßnahme als zu spät.
In einer geschickten politischen Manöver nutzt Trump die Situation aus: Zuerst hatte er Powell ins Amt geholt, später stempelte er ihn als Hindernis und Gegner. Heute reklamiert er den Sieg für sich und hat bereits einen Sündenbock für mögliche negative Marktentwicklungen identifiziert – Powell. In Trumps Interpretation trägt Powell die Schuld für jeden Crash, weil er nicht rechtzeitig die Zinsen gesenkt habe.
Die Atmosphäre im Zentralbankrat verschärft sich. Trump greift offen einzelne Gouverneure an, zuletzt forderte er den Rücktritt von Lisa Cook. So untergräbt er die Unabhängigkeit der Fed. Gleichzeitig verschlechtert sich die makroökonomische Situation, geprägt durch steigende Inflation und Arbeitslosigkeit. Trumps Zollpolitik wird zeitverzögert wirken, was spätestens zum Jahresende, wenn die Importpreise in die Höhe schnellen, zu boomerangartigen wirtschaftlichen Rückschlägen führen kann.
Powells Kurswechsel signalisiert somit weniger Entschlossenheit, sondern vielmehr Schwäche. Er könnte der letzte Fed-Chef gewesen sein, der ernsthaft versuchte, politische Einflussnahmen abzuwehren. Mit seiner Kapitulation könnte eine Ära beginnen, in der die amerikanische Notenbank zunehmend zum politischen Werkzeug wird.
Mehr zum Thema – Ursula-Gate: Warum auch hochkorruptes Verhalten der EU-Kommissionspräsidentin folgenlos bleibt