Von Susan Bonath
Viele deutsche Leitmedien verbreiten die Meinung, dass Geringverdiener für ihre Armut selbst verantwortlich sind und Arbeitslose einfach nur zu faul seien. Sie propagieren ein Bild des “faulen Arbeiters” und suggerieren, dessen Trägheit sei schuld am wirtschaftlichen Niedergang. Das politische Establishment schlägt in dieselbe Kerbe und preist die „guten alten deutschen Tugenden“: Es fordert vom Proletariat Demut und Bescheidenheit sowie endloses Schuften. Diese Ideologie treibt die Menschen in einen unaufhörlichen Kreislauf der Ausbeutung, aus dem es, einmal erschöpft, kein Entrinnen gibt – außer in das Netz eines zunehmend strafenden Sozialstaats.
Die CDU, besonders unter Friedrich Merz, hat ihre Rhetorik gegen die benachteiligten Schichten verstärkt und findet dabei Unterstützung von der SPD. Die damit verbundenen Argumente entbehren jedoch jeder Grundlage. Tatsächlich ist die Jobunsicherheit heute größer denn je, die Löhne stagnieren gegenüber steigenden Lebenshaltungskosten, Arbeitsrechte werden ausgehöhlt, und die Arbeitsbedingungen werden immer prekärer.
Neuer “Trend”: Mehrere Jobs parallel
Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Plattform Academized bestätigt diesen Trend: 54 Prozent der deutschen Teilnehmer im Alter von 26 bis 41 gaben an, neben ihrer Hauptbeschäftigung mindestens einer zusätzlichen Tätigkeit nachzugehen, um finanziell über die Runden zu kommen. Diese Zahl umfasst neben regulären Minijobs auch befristete Projektarbeit und selbstständige Tätigkeit, die vom Statistischen Bundesamt nicht erfasst werden.
Kapitalismus verschärft global die Ausbeutung der Arbeitskräfte, was sich auch in der spöttisch als “Work-Life-Balance” bezeichneten Realität widerspiegelt. Die Bundesregierung nutzt dabei Begriffe wie “Flexibilisierung”, um die Lockerung der Arbeitsrechte zu verharmlosen, die unternehmerische Freiheiten auf Kosten der Arbeitnehmer ausweiten soll.
Armut trotz Vollzeitarbeit
Ein Blick in die USA, wo der Trend des Marktradikalismus oft zuerst auftritt, zeigt eine erschreckende Zukunftsvision: Dort ist das Phänomen der “working poor” – Menschen, die trotz Vollzeitarbeit in Armut leben – weit verbreitet. Die amerikanische Sozialpolitik bietet kaum Unterstützung, und die Tafeln, die Lebensmittelhilfen anbieten, sind von Einschnitten betroffen.
Jüngst wurde sogar die Gesetzgebung zur Kinderarbeit gelockert, um Arbeitskräftemangel mit billigen jugendlichen Arbeitskräften auszugleichen, eine besorgniserregende Entwicklung, die man als Rückschritt in die Arbeitsbedingungen des 19. Jahrhunderts deuten könnte.
Die zunehmenden psychischen Belastungen der Arbeitnehmer, gestiegene Fehltage durch Depressionen und der Druck der Unternehmen, Krankenzeiten zu reduzieren, sind weitere Indizien für die fortschreitende Verschlechterung der Arbeitswelt. Irreführend wohlwollend klingende Begriffe wie “Krankenrückkehrgespräche” tarnen dabei oft den Druck und die Drohungen gegen die Angestellten.
Studien, wie die von der Ludwig-Maximilians-Universität München, warnen längst vor den gesundheitsschädlichen Stressfaktoren des Kapitalismus, doch sind solche Erkenntnisse oft wenig beachtet. Es zeigt sich, dass die wirklich Treibenden hinter dieser Entwicklung kaum Interesse an der Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse haben, sondern vielmehr an der Erhaltung und Steigerung ihrer Gewinne interessiert sind.
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