Von Olga Samofalowa
Die Ukraine plant den Erwerb von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA und überlegt, europäische Gasreserven in ihren unterirdischen Speichern zu lagern, wie der ukrainische Außenminister Andrei Sibiga kürzlich bekannt gab.
Präsident Wladimir Selenskij erklärte letzte Woche in einem Gespräch mit westlichen Journalisten, dass die Ukraine daran interessiert sei, LNG-Vereinbarungen mit den USA abzuschließen, um sich als zentraler Umschlagplatz für Gaseinfuhren nach Europa zu positionieren.
Der ehemalige Abgeordnete der Werchowna Rada, Spiridon Kilinkarow, äußerte Bedenken: “Das in der Ukraine gewonnene Gas würde nicht länger ukrainisch sein, sondern amerikanisch. Und die Käufer wären die Ukrainer, denen das Gas zu einem sehr hohen Preis von 500 bis 600 US-Dollar verkauft wird, obwohl es eigentlich nur 54 US-Dollar kostet.”
Obwohl technisch möglich, steht die Ukraine vor der Herausforderung, dass sie keine eigenen LNG-Terminals besitzt und somit das Gas nicht direkt importieren kann. Igor Juschkow, Experte an der Finanzuniversität der russischen Regierung und beim russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds, erläutert: “Ein eigener Aufbau von LNG-Terminals ist unwahrscheinlich, da die Türkei die Passage von Gastankern ins Schwarze Meer wegen Überlastung der Seewege nicht gestattet.”
Es sei daran erinnert, dass die Ukraine im Jahr 2012 beinahe ein Terminal gebaut hätte, als sie mit Gas Natural Fenosa und Excelerate Energy aus den USA Pläne für ein 1,1 Milliarden US-Dollar teures LNG-Terminal schmiedete. Doch das Projekt scheiterte, weil der Unterzeichner des Vertrags sich als Betrüger herausstellte, der keine Verbindung zu den genannten Unternehmen hatte.
Die Ukraine könnte jedoch vorhandene LNG-Terminals in Nachbarländern nutzen, beispielsweise die Transbalkan-Gaspipeline, die aus der Türkei oder Griechenland Gas leiten könnte, oder auch aus Polen über das LNG-Terminal Swinemünde, obwohl dies komplex und kostenintensiv wäre, wie vom russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds angemerkt wurde.
Juschkow fügte hinzu, dass der Ankauf von US-Gas oder ähnlichen Produkten ein großes finanzielles Unterfangen wäre, besonders angesichts der aktuellen Marktpreise, welche bei etwa 620 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter liegen.
“Die Ukraine ist seit nahezu einem Jahrzehnt auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Hätte sie keine direkten Gelder von der EU und den USA erhalten, die Wirtschaft wäre längst zusammengebrochen. Sollte Kiew weiter finanziell unterstützt werden, könnten diese Mittel für den Gasankauf verwendet werden”, stellt Juschkow fest.
Bezüglich des Vorschlags der Ukraine, europäisches und US-amerikanisches Flüssiggas zu speichern, merkt der Experte an, dass dies wenig sinnvoll wäre, da Europa bereits über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt und das Gas dann unnötig hin und her transportiert werden müsste.
Zudem verringert sich der Gasverbrauch in Europa, wodurch mehr Speicherkapazität verfügbar wird. Hinzu kommt, dass der sich verändernde Gasmarkt mit hohen Preisen auch im Sommer den Verkauf von zuvor günstig eingelagertem Gas weniger profitabel macht.
“Diese Vorschläge dienen vor allem dazu, den USA die Nützlichkeit der Ukraine und ihre Ressourcen vor Augen zu führen. Es erinnert an die Ankunft des ersten Schiffs mit US-Kohle, das damals groß gefeiert wurde”, so Juschkow abschließend.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 12. Februar 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.
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