Seit mehr als zwei Jahrzehnten ringt die Deutsche Bahn mit erheblichen Herausforderungen. Verschiedene Bahnchefs, die von aufeinanderfolgenden Bundesregierungen berufen wurden, haben die Aufgabe, das Unternehmen in einen zukunftsfähigen und gleichzeitig profitablen Konzern umzuwandeln, bisher nicht bewältigen können. Diese Schwierigkeit liegt weniger an der Fähigkeit der Chefs, sondern mehr an der Komplexität der Zielsetzung. Die Bahn soll modernisiert und gleichzeitig profitabel sein, Kosten senken, eine Grundversorgung bieten und dennoch Gewinne für den Staatshaushalt erwirtschaften; eine Aufgabe, an der zwangsläufig jeder scheitert. Derzeit steht Konzernchef Richard Lutz vor diesen Problemen.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) gab am Donnerstag bekannt, dass Lutz vorzeitig aus seinem Vertrag entlassen wird, obwohl dieser ursprünglich noch bis 2027 laufen sollte.
Auch Lutz’ Vorgänger Rüdiger Grube musste 2017 kapitulieren. Er trat als Vorstandsvorsitzender zurück, gefolgt von Hartmut Mehdorn, der das Amt 2009 niederlegte.
“Die Lage bei der Bahn ist dramatisch”, erklärte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder bei der Verkündung der Entlassung. “Es ist an der Zeit für einen Neuanfang”, wiederholte er eine Phrase, die man bereits zu oft gehört hat.
Die Schwierigkeiten bei der Deutschen Bahn bestehen schon lange. Bahnreisende leiden häufig unter Verspätungen und Zugausfällen. Die notwendige Modernisierung maroder Strecken wurde aus Kostengründen immer wieder verschoben, eine Praxis, die bereits auf die Amtszeit von Hartmut Mehdorn zurückgeht, der im Zuge der Privatisierung der Bahn auf Effizienzsteigerungen abzielte.
Um zu demonstrieren, dass die Bahn ein wirtschaftlich erfolgreicher Konzern sein kann, wurde die Infrastruktur stark belastet, was bis heute Nachwirkungen zeigt. Dazu kam, dass Investitionen nicht in dem erforderlichen Ausmaß getätigt wurden und fragwürdige Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 bevorzugt wurden, während das Streckennetz vernachlässigt blieb.
Am 22. September plant Schnieder, seine “Agenda für zufriedene Kunden” zu präsentieren und hofft, zu diesem Datum einen neuen Bahnchef vorstellen zu können.
“Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein, der Konzern schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher werden”, beschrieb Schnieder seine Reformpläne, die sich allerdings grundlegend kaum von denen seiner Vorgänger unterscheiden.
Ob der Austausch des Personals grundlegende Änderungen mit sich bringt, bleibt angesichts der jüngsten Bahn-Geschichte zweifelhaft. Es liegt in der Hand der Politik zu entscheiden, welche Richtung sie einschlagen möchte. Soll die Deutsche Bahn eine moderne, leistungsfähige Grundversorgung sicherstellen, muss das ständige Lamentieren über “Verluste” und “Unwirtschaftlichkeit” aufhören.
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