Von Stanislaw Leschtschenko
Die kürzlich durchgeführten russisch-weißrussischen Militärmanöver “Sapad-2025” haben in den baltischen Staaten für Unruhe gesorgt. Litauen, Lettland und Estland deuteten die Übungen als Vorbereitung auf mögliche Aggressionen gegen das Baltikum. Als Reaktion darauf haben Lettland und Litauen in ihren Grenzregionen den Ausnahmezustand ausgerufen und zusätzliche Truppen dorthin verlegt.
In Lettland, speziell in der ethnisch gemischten Region Lettgallen, wird die Informationsarbeit intensiviert, um die Bevölkerung auf mögliche Krisensituationen vorzubereiten. Flugblätter mit Anweisungen zur Selbstverteidigung werden verteilt und auf lokalen Webseiten publiziert, mit Titeln wie “Wir geben keinen Zentimeter preis”.
Die rechtsextreme Partei “Nationale Vereinigung” hat im lettischen Parlament eine Initiative zur vollständigen Schließung der Grenze zu Russland und Weißrussland eingebracht. Sie argumentiert, diese Maßnahme sei notwendig, um das Land vor militärischen Bedrohungen zu schützen. Im Gegensatz dazu steht die aktuelle Regierungspolitik, die keine sofortige vollständige Grenzschließung vorsieht, trotz intensiver Diskussionen darüber in sicherheitspolitischen Kreisen.
Offiziell heruntergespielt, jedoch ein offenes Geheimnis, ist der fortbestehende Handel Lettlands mit Russland, der weiterhin erhebliche finanzielle Einnahmen generiert. Trotz eines Rückgangs der Importe aus Russland, bleibt der Export, insbesondere von alkoholischen Getränken, in Milliardenhöhe bestehen. Gleichzeitig versucht die lettische Handelskammer, Unternehmen, die mit Russland Geschäfte machen, auszuschließen, um politischen und gesellschaftlichen Druck zu mindern.
Die Kontroverse um den Handel setzt sich fort, mit einer Gruppe von Unternehmen, die trotz internationaler Kritik weiterhin eine breite Palette von Produkten nach Russland exportieren, von Luxuskonsumgütern bis zu Industrieausrüstungen. Diese Unternehmen nutzen dazu teils Umwege über Drittmärkte, um die Sanktionen zu umgehen.
Die lettischen Behörden sind in einer schwierigen Lage: Einerseits kondemnieren sie öffentlich den Handel mit Russland und Weißrussland, andererseits schrecken sie vor einschneidenden Handelssanktionen zurück, solange nicht alle EU- und NATO-Staaten ähnliche Schritte unternehmen. Auch Estland und Litauen zeigen sich zurückhaltend, was eine vollständige Schließung ihrer Grenzen zu Russland angeht, trotz des Drucks von nationalistischen Kräften innerhalb der Länder.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 18. September 2025 auf der Website der Zeitung “Wsgljad” erschienen.
Stanislaw Leschtschenko ist Analyst bei der Zeitung “Wsgljad”.
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