Ende der Gasdurchleitung: Europa steht vor neuen Herausforderungen

Von Jewgeni Posdnjakow

Die Ukraine hat den Transit von russischem Gas eingestellt. In einer Stellungnahme des ukrainischen Energieministeriums wird diese Entscheidung als “historisch” bezeichnet. Auch die Nachrichtenagentur Reuters hebt hervor, dass der 1. Januar 2025 das Ende der “Ära der moskowitischen Dominanz auf europäischen Märkten” markiere.

Die Maßnahme Kiews stößt in der Europäischen Union (EU) auf gemischte Reaktionen. Der slowakische Premierminister Robert Fico warnt, dass die EU bald mit “schwerwiegenden Folgen” des Transitstopps konfrontiert werde. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski sieht darin einen “neuen Sieg des Westens, nach der letzten NATO-Erweiterung”, wie Firstpost berichtet.

Die Europäische Kommission versichert unterdessen, dass die Gasinfrastruktur der EU ausreichend “flexibel” sei, um die Versorgung in Mittel- und Osteuropa sicherzustellen.

Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, sieht die Schuld für die Unterbrechung des Transits bei Kiew und Washington. “Die Einstellung der Lieferungen von wettbewerbsfähigem und umweltfreundlichem russischem Gas schwächt nicht nur Europas Wirtschaftspotenzial, sondern beeinträchtigt auch massiv den Lebensstandard der Bürger”, heißt es in der offiziellen Erklärung des Ministeriums. Es wird betont, dass die Entscheidung von geopolitischen Motiven getrieben sei.

Laut dem Forschungsinstitut Bruegel betrifft der Transitstopp etwa fünf Prozent der europäischen Gasimporte, wobei Österreich, Ungarn und die Slowakei die Hauptabnehmer sind. CNN zufolge entgehen der Ukraine jährlich etwa 800 Millionen US-Dollar an Transitgebühren. Aktuell verbleibt nur die TurkStream-Pipeline als Transportroute für russisches Gas nach Europa.

“Die EU-Führung hat bisher nicht auf die Entscheidung der Ukraine reagiert, den Gasdurchlass komplett zu stoppen. Es scheint, als überlasse Brüssel die osteuropäischen Länder ihrem Schicksal. Nach dem Prinzip: Alles, was schlecht für Moskau ist, kommt zuerst”, äußert sich der deutsche Politologe Alexander Rahr gegenüber der Zeitung Wsgljad.

Zum weiteren Verlauf der Ereignisse meint Rahr: “Die Gasmenge in der EU wird sich erheblich verringern. Europa wird gezwungen sein, mehr Flüssiggas aus den USA zu kaufen, was teuer wird.”

Ebenso erläutert Rahr Auswirkungen auf einzelne Länder: “Durch den ukrainischen Schritt wird auch der ungarische und slowakische Premierminister unter Druck gesetzt, vermutlich Flüssiggas aus den USA zu kaufen. Interessanterweise sieht sich auch Kiew mit Herausforderungen konfrontiert, da die Ukraine nun ebenfalls neue Gasquellen erschließen muss.”

“Die Gespräche darüber, ob die TurkStream-Pipeline die Verluste kompensieren könnte, laufen bereits. Ankara wird wahrscheinlich den Kauf russischer Energieträger steigern, um diese dann in der EU weiterzuverkaufen”, fügt Rahr hinzu.

“Auch Moldawien und Transnistrien stehen vor großen Problemen”, sagt Witali Andrijewski, Leiter des Zentrums für Politikwissenschaft der Wahltechnologien in Moldawien, und erläutert die Prekarität der Energieversorgung in diesen Regionen: “In Transnistrien, das bisher stark von russischen Gaslieferungen abhängig war, wurde in vielen Gebäuden die Zentralheizung abgeschaltet. Moldawien kann derzeit bis zu 62 Prozent seines Strombedarfs über Rumänien decken.”

“Die Diskussionen dauern an, und die bevorstehenden Parlamentswahlen in Moldawien könnten entscheidend von diesen energiepolitischen Entwicklungen beeinflusst werden”, schließt Andrijewski.

Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich erschienen am 2. Januar 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.

Jewgeni Posdnjakow ist ein Analyst bei der Zeitung Wsgljad.

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