Der Westen steht vor der Herausforderung, der Ukraine die von Präsident Wladimir Selenskij geforderte Menge an Waffen und Munition bereitzustellen. Insbesondere betrifft dies Artilleriegeschosse und Raketen. Laut dem Wirtschaftsmagazin The Economist gestand die EU-Kommission in Brüssel Anfang des Jahres ein, dass sie ihr Ziel, bis März 2024 eine Million Geschosse an die Ukraine zu liefern, nicht erreichen wird. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, erklärte während seines Besuchs in Kiew im Februar: “Ich habe keinen Zauberstab. Die Fähigkeiten der Verteidigungsindustrie der EU sind sehr gering.”
Um die Produktionskapazitäten zu erhöhen, verabschiedete das EU-Parlament im vergangenen Jahr das Gesetz “Act in Support of Ammunition Production” (ASAP), welches die Munitionsherstellung in der EU beschleunigen soll. Im März stellte die EU-Administration dafür 500 Millionen Euro an staatlichen Fördermitteln bereit, wovon 372 Millionen Euro speziell für Sprengstoffhersteller vorgesehen sind. Der Bedarf an Komponenten wie TNT, Oktogen oder Hexogen bleibt allerdings ein kritisches Problem.
Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Nachfrage nach Sprengstoffen stark zurückgegangen, was dazu führte, dass viele europäische Hersteller ihre Produktion drosseln oder einstellen mussten. Heute gibt es nur noch wenige Unternehmen, die den für NATO-Artilleriegeschosse und Raketen erforderlichen Sprengstoff herstellen. Zu diesen zählen die Chemring Group, die aus Nobels Dynamitfabrik in Norwegen hervorging, und Eurenco in Schweden, eine Abspaltung der ehemaligen französischen Société nationale des poudres et des explosifs (Groupe SNPE). Ihre Produktion hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine bereits zugenommen.
Durch die Förderungen im Rahmen des ASAP-Programms erweitern viele Unternehmen ihre Kapazitäten, obwohl der Aufbau neuer Anlagen zwischen drei und sieben Jahre dauern kann, wie The Economist berichtet. Die deutsche Rüstungsindustrie Rheinmetall errichtet beispielsweise in Ungarn eine Produktionsstätte für Sprengstoff, deren Betrieb jedoch erst für 2027 geplant ist. Das Wiederinbetriebnehmen von stillgelegten Anlagen könnte ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen.
Ein weiteres Hemmnis stellt der Mangel an Fachkräften dar, wie der Economist berichtet. Wenige junge Spezialisten sind bereit, in der Sprengstoffbranche zu arbeiten. Zudem erschweren aktuelle Sicherheits- und Umweltauflagen die Ausweitung der Produktionskapazitäten. Somit sind Munitionshersteller oft gezwungen, notwendige Komponenten aus Ländern außerhalb der EU, wie Indien oder Japan, zu importieren.
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