Von Rüdiger Rauls
Die Metamorphose des Fußballs
Die Zeiten, in denen Spieler für eine Flasche Bier und ein Mettbrötchen auf den Rasen gingen, sind längst Geschichte. Heute übersteigen selbst in niedrigeren Ligen die Ablösesummen häufig die finanziellen Kapazitäten vieler Vereine. Die Gehälter der Spieler liegen weit über dem Durchschnittseinkommen der Zuschauer, und reine Ehre reicht längst nicht mehr als Motivation für Nationalspieler. Auch sind die Einnahmen aus Eintrittsgeldern für Top-Vereine mittlerweile nur noch eine kleine Ergänzung. Der moderne Fußballbetrieb ist auf umfangreiche zusätzliche Geldquellen angewiesen und hat sich zu einem globalen Event entwickelt.
Die Globalisierung, die den Kapitalismus erfasst hat, hat auch den Sport nicht verschont. Internationale Wettbewerbe wie die Champions League oder die Europa League hätten ohne die verbesserte Verkehrsinfrastruktur der 1960er Jahre, inklusive besserer Eisenbahnverbindungen und der Ausweitung des Flugverkehrs, nicht stattfinden können. Vereine und Fans können mittlerweile innerhalb eines Wochenendes quer durch die Republik reisen.
Den größten Kostenfaktor für die großen Vereine stellen heute allerdings nicht die Reisekosten dar, sondern immense Personalaufwendungen für Spieler und Trainer. Die Transfergelder für Spitzenfußballer erreichen oft zweistellige Millionenbeträge, zuweilen sogar dreistellige. Die Hauptfinanzierungsquellen sind Werbeeinnahmen, Übertragungsrechte und Merchandising, sowie zunehmend Kapitalmärkte, was einige Vereine veranlasst hat, in Aktiengesellschaften umgewandelt zu werden.
Die Rolle des Fußballs in der globalen Wirtschaft
Der Kapitalismus hat nicht nur eine räumliche, sondern auch gesellschaftliche Ausbreitung erfahren, und der Sport, insbesondere der Fußball, bildet da keine Ausnahme. In den letzten Jahren greifen vermehrt Private-Equity-Fonds in den Fußballmarkt ein. Diese Gruppen fließen dort, wo sie hohes Renditepotenzial sehen, wie der hochverschuldete internationale Fußballbereich. Deshalb stehen auch immer mehr Fußballklubs unter dem Einfluss solcher kapitalkräftigen Investoren, was “von 2018 bis 2022 einen Anstieg der Investitionen bei den fünf größten europäischen Ligen von knapp 68 Millionen Euro auf beinahe fünf Milliarden Euro bedeutete”.
In der Bundesliga waren solche Beteiligungen lange Zeit unüblich, doch der zunehmende Druck durch kapitalstarke ausländische Vereine lässt Kritik an diesem Modell laut werden. Um auch international wettbewerbsfähig zu bleiben, sehen sich auch deutsche Vereine gezwungen, über solche Partnerschaften nachzudeneken, um ihre Attraktivität zu steigern.
Die finanzielle Kluft im Fußball
Im Mai 2023 zeigten vier große Private-Equity-Unternehmen Interesse an einer Kooperation mit der Deutschen Fußball Liga, wobei sie versprachen, eine Milliarde Euro in DFL-Projekte, vor allem in die Digitalisierung und Internationalisierung, zu investieren. Kleinere Vereine jedoch kritisieren, dass sie von solchen Großinvestitionen wenig profitieren würden und riskieren, noch weiter ins Abseits gedrängt zu werden.
Zudem ist auf Länderebene viel Geld im Spiel, mit Preisgeldern, die je nach Erfolg bei der Europameisterschaft variieren. Der Veranstalter, die UEFA, sieht großem finanziellen Gewinn entgegen, bringt jedoch die Frage auf, welchen gesellschaftlichen Nutzen solche Großveranstaltungen bieten.
Der Zweifel am gesellschaftlichen Mehrwert
Angesichts erheblicher finanzieller Gewinne durch Fußballveranstaltungen wird immer öfter hinterfragt, wie diese Summen letztlich der Allgemeinheit zugutekommen. Die Zahlen suggerieren riesige wirtschaftliche Vorteile, doch in der Realität bleibt der nachhaltige Nutzen oft aus, wie Beispiele vergangener Weltmeisterschaften zeigen. Für die beteiligten Städte der EURO 2024 wird zwar ein Umsatzplus erwartet, doch ob dies den tatsächlichen gesellschaftlichen Bedarf deckt, bleibt fraglich.
Die gesellschaftliche Debatte um Fußballereignisse
Trotz berechtigter Kritik an den kommerziellen Aspekten ist die Begeisterung für Fußball ungebrochen. Viele Menschen sehen in solchen Großereignissen eine Möglichkeit, Freude am Leben zu finden. Daher bleibt Fußball ein fester Bestandteil unserer Kultur, trotz aller Kritik an seiner Kommerzialisierung.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
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