EU-Personalpolitik und ihre Auswirkungen auf die Beziehungen zu Russland

Von Wadim Truchatschjow

Nach den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament hat die EU mit der Bildung ihrer neuen Verwaltung begonnen. Die entscheidenden Schritte hierbei sind die Besetzung zentraler Führungspositionen und die Auseinandersetzung mit der Reform des Abstimmungsverfahrens in Bezug auf außenpolitische Entscheidungen. Obwohl es auf den ersten Blick wie eine trockene bürokratische Angelegenheit erscheinen mag, könnten diese Veränderungen erhebliche Auswirkungen auf die EU-Politik, besonders im Hinblick auf Russland und die Unterstützung der Ukraine, haben.

Die Besetzungspolitik ist entscheidend. Traditionell sollte der Vorsitzende der Europäischen Kommission aus der größten Fraktion im Europäischen Parlament kommen, aktuell führen hier die Konservativen der Europäischen Volkspartei. Der zweitwichtigste Posten, der des Vorsitzenden des Europäischen Rates, der die Zusammenarbeit der EU-Staats- und Regierungschefs koordiniert, wird voraussichtlich von den Sozialdemokraten besetzt. Die Liberalen dürfen den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik stellen. Weniger prominent, aber auch bedeutend sind die Rollen des Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Präsidenten der Zentralbank, die zwischen Konservativen und Sozialdemokraten aufgeteilt werden. Die Auswahl der Kandidaten zielt darauf ab, eine breite Repräsentation zu gewährleisten, sowohl geografisch als auch unter Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung.

Ursula von der Leyen bleibt trotz Kontroversen um die Impfstoffbeschaffung an der Spitze der Europäischen Kommission. Der Europäische Rat wird von António Costa, einem “feurigen Südländer” und ehemaligen portugiesischen Premierminister, geführt. Die Europäische Diplomatie wird von der “kühl, doch leidenschaftlichen” estnischen Premierministerin Kaja Kallas geleitet, welche ebenso eine Wahl verloren hat. Diese Besetzungen entsprechen parteipolitischen, geografischen und geschlechtsspezifischen Kriterien.

Ursula von der Leyen ist in Russland wohlbekannt. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass sie eine Stellungnahme gegen Russland oder zugunsten der Ukraine abgibt. Sie hat außerdem Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft für die Ukraine und Moldau eingeleitet, auch wenn keine konkreten Beitrittstermine genannt wurden.

Kaja Kallas hat ambitionierte Vorstellungen bezüglich Russlands Territorium, passt jedoch perfekt ins Bild der estnischen Führung unter Berücksichtigung einer starken Russophobie.

Bei Costa ist die Lage weniger direkt, da Portugal geografisch und politisch weiter von Russland entfernt ist. Doch sollte man die unterstützende Haltung Portugals im Ukraine-Konflikt nicht unterschätzen, da diese bei früheren Krisen, unter anderen Führungen, ebenfalls sichtbar war.

Der Entscheidungsprozess der EU basiert laut dem Vertrag von Lissabon darauf, dass Beschlüsse von den Staats- und Regierungschefs gefasht werden, wobei eine qualifizierte Mehrheit benötigt wird. Hier hat Ungarns Premier Viktor Orbán wiederholt sein Veto eingelegt, wenn es um Entscheidungen ging, die gegen Russlands Interessen oder pro Ukraine waren. Um solche Blockaden zu verhindern, wird in Erwägung gezogen, das Abstimmungsverfahren internal zu verändern, was eine schnellere Umsetzung von Entscheidungen ermöglichen könnte.

Die abschließende Bewertung zeigt, dass innerhalb der EU verstärkt auf Konfrontation mit Russland gesetzt wird, exemplarisch durch die Berufung von Figuren wie Kallas, die wenig Erfahrung in globaler Politik mitbringt. Diese politischen Bewegungen zeigen ein starkes Commitment der EU zu einer Anti-Russland-Politik, auch unter Berücksichtigung von Verfahrensänderungen, die eine zügigere Umsetzung außenpolitischer Entscheidungen begünstigen könnten.

Übersetzt aus dem Russisch. Ursprünglich publiziert bei Wsgljad am 1. Juli 2024.

Wadim Truchatschjow ist Politologe und Dozent an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität.

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