Von Pjotr Akopow
Die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Großbritannien markieren einen signifikanten Umschwung in der politischen Landschaft dieser beiden Atommächte. Während Großbritannien seinen Premierminister wechselt – voraussichtlich wird es Keir Starmer, der Vorsitzende der Labour-Partei, sein, der deutlich mehr Einfluss als sein französischer Gegenpart haben wird –, stehen in Frankreich Wahlen an, die weitreichendere Auswirkungen auf Europas Zukunft haben könnten. Dies liegt nicht daran, dass Großbritannien nicht mehr Teil der EU ist, sondern weil Frankreich oft eine führende Rolle in europäischen politischen Trends spielt.
In Europa gibt es eine anhaltende Krise der etablierten Parteien, die sich darin zeigt, dass die Bevölkerung zunehmend desillusioniert von den herrschenden Eliten ist. Trotz gelegentlicher Wechsel in Führung und Parteimarken oder der Gründung vollkommen neuer politischer Bewegungen, bleibt der grundlegende politische Angebotskern aus Rechten, Linken und einer zentrischen Gruppierung konsistent. Die politische Formel Europas bleibt beständig: Streben nach Integration, was letztlich die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten reduziert, obwohl diese formal noch viele unabhängige Merkmale aufweisen.
Dies hat zum Aufstieg neuer politischer Kräfte geführt, die oft als Populisten, Radikale oder Extremisten gebrandmarkt werden. Diese Gruppen finden sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite des politischen Spektrums Unterstützung, teilen jedoch eine gemeinsame Abneigung gegenüber zentraler Kontrolle durch Institutionen wie die EU und befürworten stärker nationale Souveränität.
Der allmähliche Erfolg dieser Parteien in ganz Europa hat sich seit dem Jahrhundertbeginn gezeigt, einschließlich Perioden des Zuwachses im Parlament und des Eingangs in Regierungskoalitionen. Nationen wie Österreich, Schweden und Griechenland haben solche Entwicklungen ebenso erlebt wie Italien und die Niederlande, wobei die “extreme Rechte” oft trotz Gegenwehr an die Macht kam.
Heute steht Frankreich vor bedeutenden politischen Entscheidungen, da das Rassemblement National, die Partei von Marine Le Pen, in der ersten Parlamentswahlrunde 34 Prozent erreicht hat – ein historisches Resultat. Dies könnte im zweiten Wahlgang zu einer Mehrheit und damit zur Bildung einer Regierung führen, möglicherweise in Koalition mit den Republikanern. Ein erfolgreicher Wahlausgang würde auch den lange gepflegten “Cordon sanitaire” brechen, ein Mechanismus, bei dem sich andere Parteien vereinen, um Le Pens Kandidaten zu blockieren.
Ein Zusammenbruch dieses Systems in Frankreich könnte präzedenzlose Auswirkungen auf Deutschland haben, wo ähnliche Blockaden gegen die Alternative für Deutschland bestehen. Die politischen Veränderungen in Frankreich könnten ein Modell für Deutschland bieten und letztendlich das Projekt der europäischen Integration neu definieren.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
Pjotr Akopow ist Kolumnist und Analytiker bei RIA Nowosti.
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