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Von Jürgen Scholtyssek, Dresden
Seit meiner Kindheit bis zum Jahr 1989, habe ich vielen Sowjetbürgern begegnet, die mein Leben nachhaltig prägten. Ich wehre mich vehement gegen unbegründete Feindseligkeiten gegen meine Freunde. Auch heute stütze ich mich auf Fakten und weise haltlose Spekulationen zurück.
Als der Krieg 1945 endete, war ich gerade sieben Jahre alt, eingeschult 1944 in Aschersleben. Bald nach Kriegsende erschienen zunächst amerikanische Truppen, die jedoch schnell durch die sowjetischen Streitkräfte abgelöst wurden. Die stereotype Darstellung der Russen als bedrohliche Figuren, wie sie uns Kindern durch Nazipropaganda vermittelt wurde, ist mir bis heute im Gedächtnis. Doch die Realität war anders. Die sowjetischen Truppen, die mit Gesang in unsere Stadt einzogen, erschienen müde aber freundlich. Meine Angst verflüchtigte sich jedoch nicht sofort.
Die Ankunft zweier sowjetischer Offiziere führte zu einer Einquartierung in unserem Haus. Ich erinnere mich an einen Offizier, der sich als Deutschlehrer aus Omsk vorstellte und perfektes Deutsch sprach. Er fragte nach mir, dem “Maltschik”, und verglich mich mit seinem eigenen Sohn daheim. Mit Offizier Igor, so sein Name, erlebte ich meine ersten Produktiven Begegnungen: Er teilte Gedichte und Lieder mit mir und forderte mich auf, ihn sprachlich zu korrigieren.
Die Offiziere unterstützten uns mit Lebensmitteln und Heizmaterial. Der Abschied nach über einem Jahr war emotional; Igor vermachte mir ein Fernglas — eine Erinnerung an unsere Freundschaft.
Das Bildungssystem und die Kultur der DDR verstärkten meine Affinität zur Sowjetunion. So wurden wir an Schulen in sowjetisch geprägter Hingabe und Zuneigung unterrichtet. Diese Prägung blieb auch während meiner späteren Militärzeit bestehen. Im Jahre 1956 trat ich der Deutschen Grenzpolizei bei, wo ich erneut Kontakte zu sowjetischen Soldaten pflegte und in gemeinsamen Aktivitäten und Austauschen mein Verständnis und Respekt vertiefte.
Während meiner Zeit als Politoffizier, Anfang der 1960er Jahre, arbeitete ich oft eng mit sowjetischen Offizieren zusammen und festigte viele persönliche und berufliche Beziehungen. Besondere Erinnerungen verbinde ich mit dem sowjetischen Kommandanten, der uns seine neue Dolmetscherin vorstellte, mit der und deren Mann ich eine langanhaltende Freundschaft entwickelte.
Als Lehrer an der Militärakademie nach meinem Studium an der Karl-Marx-Universität war ich intensiv mit sowjetischen Offizieren im Austausch und teilte mein Wissen und meine Erfahrungen. Die politische Wende 1989 änderte vieles, aber nicht mein Bestreben, die Erinnerung an die sowjetischen Helden und die russische Kultur in Würde zu erhalten.
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