Fehlplanungen bei Schutzmaskenkauf: Milliardenverlust und rechtliche Auseinandersetzungen

“Schutzmasken: Weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus beschafft, kaum Nutzen”, so titelt der Bundesrechnungshof in einer aktuellen Auswertung zu den übermäßigen Beschaffungsaktionen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Jahr 2020. Die Prüfer des Bundesrechnungshofes stellten fest, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zu Beginn der “Corona-Pandemie 5,7 Milliarden Schutzmasken zu einem Gesamtwert von 5,9 Milliarden Euro erwarb, obwohl der tatsächliche Bedarf deutlich niedriger lag.” Diese Enthüllung veranlasste Mitglieder der AfD im Bundestag dazu, eine “Kleine Anfrage” bezüglich der aktuellen Klagen und Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem ‘Open-House’-Verfahren zur Beschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) während der Pandemie an die Bundesregierung zu stellen.

Ein achtseitiges Antwortschreiben mit insgesamt 20 Fragen wurde von der Bundesregierung am 15. Mai veröffentlicht. Darin wird angegeben:

“Zum Zeitpunkt der 39. Kalenderwoche 2023 waren laut Bundesregierung noch 73 Klagen bezüglich des ‘Open-House’-Verfahrens anhängig. Der Streitwert dieser Klagen beläuft sich auf etwa 988 Millionen Euro, was das Klagerisiko für die Bundesregierung und somit den Steuerzahler nahe an eine Milliarde Euro heranführt.” 

Die Abgeordneten Sebastian Münzenmaier, Dr. Christina Baum, Thomas Dietz “und weitere” der AfD wollten durch ihre Anfrage herausfinden, “wie viele Rechtsstreitigkeiten insgesamt mit Beteiligung der Bundesregierung im Rahmen des ‘Open-House’-Verfahrens aufgetreten sind”. Die Bundesregierung erklärte dazu:

“Aktuell sind etwa 100 Klagen anhängig. Bislang wurden rund 80 Vergleiche geschlossen. Der derzeitige Streitwert für mangelhaft gelieferte Schutzausrüstung im Rahmen des Open-House-Verfahrens beläuft sich auf rund 270 Millionen Euro. Viele Fälle, auch jene, in denen der Bund erfolgreich war, befinden sich derzeit noch in der Berufungsphase.”

Daraus ergibt sich, dass viele der Verfahren noch nicht zu einem endgültigen Urteil geführt haben. Auf die Anfrage nach den genauen Kosten für juristische Dienstleistungen, wie Rechtsberatungen und Vertretungen in diesen Streitigkeiten, wollte das BMG keine genaue Summe nennen. Als Begründung führte es an:

“Die angefragten Informationen zu den Gesamtkosten für Vergleiche sowie zu den Gesamtstückzahlen der Schutzmasken berühren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sowie fiskalische Interessen und Verhandlungspositionen des Bundes in zukünftigen Vergleichsverfahren.”

Die fiskalischen Interessen beziehen sich auf die finanziellen Belange des Staates. Zur Frage nachweislich geschlossener Einigungen, etwa durch Steuergelder finanzierte Vergleichsleistungen, gibt das Schreiben der Bundesregierung an:

“Der Bund schließt nur dann Vergleiche, wenn diese zweckmäßig und wirtschaftlich sind.”

Für das BMG bleibt weiterhin von zentraler Bedeutung, dass die Beschaffungen während der Pandemie-Notsituation eine staatliche Pflichtaufgabe darstellten, die den Vorgaben der öffentlichen Haushaltsführung entsprach. Auf die Kritik des Bundesrechnungshofes bezüglich zu großzügiger Preiszusagen an Lieferanten antwortete das BMG:

“Zum Zeitpunkt der Durchführung des Open-House-Verfahrens herrschte ein erheblicher Mangel an Schutzausrüstung auf dem Weltmarkt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wurden die genannten Zahlungsbedingungen festgelegt.”

Jens Spahn, der damals verantwortliche Bundesgesundheitsminister, wird bis heute rechtlich nicht belangt. Eine Meldung der Tagesschau vom 14. Juni 2022 berichtete über eine Bundestagssitzung zum Thema ‘Open-House-Verfahren’ und mehrere laufende Korruptionsverfahren gegen CDU und CSU-Politiker:

“Jens Spahn selbst teilt auf Anfrage von NDR, WDR und SZ mit, 'dass sich Ihre Fragen in ihrer Detailtiefe der Nachvollziehbarkeit bzw. Erinnerung entziehen'. Zudem habe er zu einigen der besagten Dokumente keinen Zugang mehr.”

Im jüngsten Antwortbrief auf die AfD-Anfrage heißt es weiter:

“Der Bundesregierung sind keine Strafanzeigen gegen das Bundesministerium für Gesundheit oder andere Bundesbehörden bekannt.”

Der Bundesrechnungshof gibt in seiner jüngsten Publikation an, dass “von den 5,7 Milliarden beschafften Schutzmasken bis Ende 2023 nur 1,7 Milliarden im Inland verteilt wurden”, was “weniger als ein Drittel entspricht”. Die verbleibenden Bestände wurden zunächst eingelagert. 2023 mussten 1,2 Milliarden Schutzmasken aufgrund abgelaufener Haltbarkeit vernichtet werden, weitere 1,7 Milliarden Masken sollen noch vernichtet werden. Der Bundesrechnungshof kritisiert: “Für die verbleibenden Bestände von knapp 800 Millionen Schutzmasken hat das BMG bis heute kein Verwendungs- und Verteilungskonzept.”

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