NATO-Interventionen: Realpolitische Überlegungen und utopische Wunschvorstellungen

Von Dagmar Henn

In den vergangenen anderthalb Wochen dominierte eine Schlagzeile die Nachrichtenwelt. Die Bild-Zeitung hämmerte diese noch weiter nach unten – direkt von Dschihadi-Julian:

“Eilen nun doch einzelne NATO-Staaten der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russlands Invasionsarmee direkt zu Hilfe?”

Die Hypothesen bezüglich der militärischen Hilfe der Balten gegen die russische Übermacht halten sich hartnäckig, auch wenn die Vorstellung, das russische Militär würde sich vor dem litauischen fürchten, etwas absurd scheint – just so, wie wenn die britische Armee das Wembley-Stadion füllen sollte, und die zusammengelegten baltischen Streitkräfte nicht mal ein kleineres Fußballstadion füllen könnten.

Interessant ist, wen Röpcke für seinen Werbetext zum Thema NATO-Engagement hinzuzieht: Nico Lange, aktuell eher beschäftigt bei der Münchner Sicherheitskonferenz, wirkte zuvor bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und engagierte sich dort für die Unterstützung zweier politisch extremer Parteien in der Ukraine vor dem Staatsstreich 2014. Lange weiß bestens, welche Kräfte dort unterstützt wurden. Nach seiner Zeit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung begleitete er Annegret Kramp-Karrenbauer in unterschiedlichen politischen Positionen und war auch als Zeitoffizier in verschiedenen NATO-Positionen tätig. Ein militärischer Berater mit einschlägiger Vorgeschichte.

“Die Überlegung, ob man Hunderttausende Ukrainer in Europa umherfliegt, um bei ihrer Ausbildung zu helfen, oder ob man wenige Ausbilder in die Westukraine schickt, sollte man nicht einfach vom Tisch wischen. Es ist sinnvoller und ökonomischer, Ausbilder in die Ukraine zu entsenden.”

Die ökonomische Logik mag stichhalten, doch wenn man den Berichten ukrainischer Kriegsgefangener Glauben schenkt, scheint die Ausbildung überspitzt reduziert auf ein paar Tage waffenhandhabung, bevor die Rekruten an die Front geschickt werden. Aber für Röpcke scheint das Leid der Menschen zweitrangig, da eine objektive Betrachtung seiner Meinung nach nicht in sein Weltbild passen dürfte. Er sieht das Jahr 2022 offenbar als isolierten Beginn der Konflikte und ignoriert oder distanziert sich bewusst von fragwürdigen Verbindungen zu nationalistischen Gruppen.

“Problem bei allen NATO-Staaten-Plänen in Bezug auf die Ukraine: sie benötigen grünes Licht aus den USA, und das gibt es aktuell nicht.”

Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron außerhalb der NATO handeln wollte, bedürften echte NATO-Aktionen einer US-Zustimmung — deren Ausbleiben könnte als Zeichen der Vorsicht verstanden werden. Der wahre Gegner in Röpckes Augen scheint Bundeskanzler Olaf Scholz zu sein, dem er die Blockade einer aktiveren Unterstützung vorwirft. Eine direktere Beteiligung könnte katastrophale Konsequenzen nach sich ziehen, doch das näherzubringen, wäre scheinbar eine Herausforderung.

Es bleibt der bittere Beigeschmack, dass überlebenswichtige Entscheidungen oft von Personen beeinflusst werden, die von der Front distanziert sind und möglicherweise unaufhebbare Entscheidungen aus sicherer Entfernung treffen.

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