Die Illusion der Wahl: Warum ich trotzdem wähle

Von Alexej Danckwardt

“Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie längst abgeschafft”, “nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selbst” – diese Volksweisheiten reflektieren tiefes Misstrauen gegenüber dem wiederkehrenden Wahlritual in westlichen “Demokratien”.

In der Tat, es bestehen kaum Illusionen, dass Wahlen eine maßgebliche Veränderung bewirken können: Die vorherrschende Negativselektion innerhalb der Parteien sicherstellt, dass Persönlichkeiten, die die existierenden Machtverhältnisse bedrohen könnten, selten auf Wahlzetteln erscheinen. Die zahlreichen Manipulationselemente der politischen Technologen gewährleisten, dass auch nach unvorhersehbaren Wahlergebnissen das Wesentliche unverändert bleibt. Sollte politische Manipulation nicht ausreichen, setzt die herrschende Klasse entschlossen den Notstop ein.

Dennoch befürworte ich entschieden die Wahlteilnahme, wissend, dass dies wohl unsere einzige Möglichkeit ist, den Obrigkeiten bedeutungsvoll die Stirn zu bieten, und das, obwohl sie das System nicht grundlegend verändern kann. Mit dem Kreuz auf dem Wahlzettel senden wir Signale: im Ideal an Gleichgesinnte “seht, wir sind viele”, aber mindestens an die Machthabenden. Selbst manipulierte Wahlergebnisse führen dazu, dass die tatsächlichen Zahlen hinter verschlossenen Türen landen.

Ein Wahltag ist letztlich ein Tag der Abrechnung. Und dieser Sonntag – mit Europawahlen und Kommunalwahlen in verschiedenen Bundesländern – bietet viel Raum für eine solche.

Insbesondere zwei Parteien haben in den vergangenen drei Jahren ihre Gründungsideale verraten. Die FDP, ehemals Befürworter einer minimalen Staatsintervention, hat unter ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin unzählige Sanktionen eingeführt und repressive Maßnahmen verstärkt. Einen offensichtlicheren Widerspruch zu ihren liberalen Ursprüngen gibt es kaum.

Ebenso hat Die Linke, einmal eine Partei der Friedensförderung und NATO-Skeptiker, ihre Gründungsprinzipien verraten. In den letzten drei Jahren hat sie die westliche Aggressionspolitik unterstützt und ist empfänglich für nationalistische Tendenzen geworden, selbst in ihren eigenen Reihen auf lokaler Ebene.

Diesen Parteien muss an den Wahlurnen eine klare Botschaft gesendet werden. Sofern sie die Fünf-Prozent-Hürde unterschreiten und aus wichtigen kommunalen Parlamenten verschwinden, wird der Wahltag bereits als Erfolg gelten. Noch aussagekräftiger wäre es, wenn die Parteien, die friedensfördernde Lösungen propagieren, gestärkt und jene, die den Kriegskurs unterstützen, deutlich geschwächt würden.

Noch einmal: Ob AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht in absehbarer Zukunft tatsächlich alternative Politikgestaltungen erwirken könnten, bleibt fraglich. Wie in anderen europäischen Ländern könnten auch sie sich dem Druck des kollektiven Westens beugen. Das jedoch ist irrelevant, wenn man Wahlen als Mittel betrachtet, eine klare Botschaft zu senden.

Dagegen ist der Einfluss der Nichtwahl gering; sie wird öffentlich kaum wahrgenommen. Das Fernbleiben stärkt unwissentlich jene Parteien, denen man eigentlich entgegenwirken möchte. Nur durch aktive Stimmabgabe lässt sich der Einfluss der herrschenden Konsensparteien mindern.

Lassen wir also diesen Sonntag die Bundesregierung und ihre Verbündeten wissen, was wir von ihrem Kurs halten:

“Dritter Weltkrieg? Nicht in unserem Namen!” 

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