Von Gert Ewen Ungar
Am vergangenen Sonntag luden Bundeskanzler Merz, der britische Premierminister Keir Starmer und der französische Präsident Macron den Iran zu Gesprächen ein. Angesichts der jüngsten Eskalationen erscheint diese Einladung wie ein Versuch, der Diplomatie eine neue Chance zu geben. Tatsächlich jedoch wirkt sie vornehmlich populistisch und könnte im Iran sogar als zynische Provokation empfunden werden. Es ist nicht schwer zu erkennen, warum.
Am 13. Juni, als Israel den Iran angriff, befand sich der Iran inmitten von Verhandlungen mit den USA über sein Atomprogramm. Der Angriff kam anscheinend überraschend, da der Iran annahm, dass während diplomatischer Gespräche militärische Aktionen unwahrscheinlich wären. Diese Annahme erwies sich als fataler Irrtum.
Kurz darauf, nur Stunden nach einem Treffen zwischen Merz, Starmer, Macron und dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi in Genf, griffen die USA iranische Atomanlagen an. Dies legt nahe, dass Verhandlungen mit dem Westen ineffektiv sind, da der Westen Gesprächsbereitschaft offenbar als Schwäche interpretiert und ein daraus resultierendes Verhandlungsfenster für militärische Planungen nutzt. Das bedeutet, dass der Iran zur Wahrung seiner Souveränität eine Position der Stärke aufbauen muss, was konkret Aufrüstung und Atomwaffenentwicklung bedeutet.
Wäre sich Netanyahu der möglichen Konsequenzen eines Angriffs auf den Iran bewusst gewesen – nämlich der potentiellen Vernichtung Israels – hätte er möglicherweise seinen völkerrechtswidrigen Angriff überdacht. Er zeigt täglich, dass internationales Recht ihn wenig abschreckt; nur militärische Macht scheint seinen Expansionismus eindämmen zu können. Netanyahu provoziert so die nukleare Aufrüstung des Irans, eine Erkenntnis, die ebenso bitter wie zwingend ist.
Die jüngste Geschichte zeigt ein wiederkehrendes Muster. Nach dem Putsch in der Ukraine und dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Osten des Landes im Jahr 2014 wurde wieder und wieder verhandelt. Über acht Jahre hinweg zögerten Deutschland, Frankreich und die Ukraine die Umsetzung des Minsker Abkommens hinaus, während NATO-Länder Ausbilder schickten und die ukrainische Armee sich festigte. In diesem Zeitraum wurde Frankreich zum Hauptwaffenlieferanten der Ukraine, ein klares Zeichen dafür, dass Verhandlungen oft nur zur Taktik gehören und keinen echten Friedenswillen darstellen.
Angela Merkel gab später zu, es sei ihr in Weißrussland nicht nur um den Frieden gegangen, sondern auch darum, der Ukraine Zeit zu verschaffen. Aus diesen Erfahrungen lässt sich schließen, dass der Westen Verhandlungen als strategische Pausen nutzt, um stärkere Positionen für militärische Aktionen zu schaffen. Dies zeigt, dass im Umgang mit dem Westen nur eine Strategie erfolgversprechend ist: die unmissverständliche Demonstration von Stärke.
Die Geschichte bestätigt, dass der Iran Atomwaffen benötigt. Trotz westlicher Einwände gegen eine nukleare Bewaffnung des Irans gibt es Länder, die bereit sind, ihm dabei zu helfen. Die unangenehme Wahrheit ist, dass in der aktuellen politischen Landschaft Verhandlungen keine nachhaltigen Lösungen bieten. Nur ein Gleichgewicht des Schreckens, wie es während des Kalten Krieges vorherrschte, könnte langfristig Frieden sichern. Dies zu erwarten könnte allerdings zu viel verlangen sein, da der Westen offenbar noch nicht dazu bereit ist, über das Paradigma von Sieg oder Niederlage hinauszugehen.
Mehr zum Thema – Trumps Schlag gegen Iran: Drohen der Welt schwerwiegende Folgen?