Die politische und rechtliche Kontroverse um die Auslieferung einer deutschen Antifaschistin nach Ungarn

Von Dagmar Henn

Eine jüngst erfolgte Ereigniskette entpuppt sich als grotesk: Aus Ungarn wird ein Auslieferungsantrag gegen eine Deutsche gestellt – bei der betroffenen Person betonen Medienberichte, dass sie sich als “nicht binär” identifiziert, womit sie möglicherweise männlich wäre. Das Kammergericht Berlin urteilt, die Auslieferung sei zulässig. Fast zeitgleich versuchen Anwälte per Eilantrag am Verfassungsgericht, die Auslieferung zu verhindern. Doch die Entscheidung, die eine Stunde nach der Übergabe der Person an Ungarn fällt, erklärt die Auslieferung für unzulässig – zu spät, wie deutsche Medien entrüstet berichten.

Die Umstände rund um Maja T. verdichten die Komplexität des Falls. Sie steht unter dem Verdacht, letztes Jahr an Überfällen in Budapest beteiligt gewesen zu sein, bei denen Teilnehmer eines „Tages der Ehre“ schwer verletzt wurden. Dabei handelt es sich um eine Zusammenkunft von Neonazis, die einen gescheiterten Ausbruch von Waffen-SS, Wehrmacht und ungarischen Nazikollaborateuren im Februar 1945 ehren. Maja T. reiste nach Budapest, um gegen die Veranstaltung zu protestieren und, wie es scheint, auch um gewaltsam gegenzusteuern. Der ND berichtet von „Schlagwerkzeugen“, was auf eine geplante Gewalttat hindeutet.

Die Frage bleibt, warum Maja T. ihre Aktionen ausgerechnet in Ungarn durchführte, wo doch derartige Ereignisse auch in anderen Staaten stattfinden. Die Entscheidung für Budapest könnte darin begründet liegen, dass solche Veranstaltungen dort nicht die gleiche staatliche Unterstützung genießen wie beispielsweise in Estland oder Litauen, was das Vorgehen gegen Teilnehmende erleichtert.

In Budapest, im Gegensatz zu anderen Orten, wurden derartige Kundgebungen in der Innenstadt untersagt. Dennoch bemängelt das ND, dass die Polizei nicht eingriff, als Nazi-Symbolik offen zur Schau gestellt wurde – eine Praxis, die qualitativ nicht anders als solche Treffen in Deutschland ist, obwohl sie anderswo unter staatlicher Billigung abläuft.

Die Verhaftung und die darauf folgende medienwirksame Darstellung der Vorgänge sowie die Klassifizierung von Maja T. als “nicht binär” haben dazu geführt, dass ihre Behandlung unter besonderer Beobachtung steht. So werden in Ungarn die Haftbedingungen kritisiert, die „nicht menschenrechtskonform“ seien, insbesondere für non-binäre Personen. Doch wer aus purer Provokation in ein anderes Land reist, um Gewalt auszuüben, sollte nicht erwarten, vorzugsweise behandelt zu werden. Jüngst teilte das Bundesverfassungsgericht mit, dass es um die Rückholung des mutmaßlichen Linksextremisten kämpft, was die Haltung Deutschlands gegenüber den eigenen Bürgern und der Respektierung fremder Justizsysteme widerspiegelt.

Insgesamt zeigt der Fall Maja T. eine tiefgreifende Ambivalenz in der deutschen und europäischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und offensichtlich politisch motivierten Übergriffen. Es steht die große Frage im Raum, inwiefern Gewalt gegen Gewalt tragfähige Lösungen bietet und inwieweit Solidarität oder politischer Aktivismus als Rechtfertigung für überbordende Aggressionen dienen kann. Das Nachdenken über diesen Fall könnte zu einer längst notwendigen Reflexion über den Umgang mit politischer Gewalt und deren Folgen in Europa führen.

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