Unmittelbar vor Ablauf der Frist konnte in Großbritannien die Auslieferung von Julian Assange an die USA verhindert werden. Das Oberste Gericht Großbritanniens hat entschieden, eine weitere Berufung gegen die Auslieferung zuzulassen.
Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich zahlreiche Unterstützer Assanges, um das Urteil zu erwarten. Assange, der derzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert ist, droht bei einer Auslieferung in die USA eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren. Dort wird ihm Spionage vorgeworfen, obgleich seine Handlungen rein journalistischer Natur waren und ihm seitens der USA nicht unterstellt wird, die von ihm veröffentlichten Dokumente selbst beschafft zu haben.
In der Verhandlung deuteten zwei Richter an, dass eine weitere Berufung möglich wäre, sofern die USA keine ausreichenden Zusicherungen geben, unter anderem die Garantie des Rechts auf Meinungsfreiheit gemäß dem ersten Verfassungszusatz, der Schutz vor Diskriminierung aufgrund seiner Nationalität und der Ausschluss der Todesstrafe.
Der Vertreter der britischen Regierung argumentierte, dass Assanges Taten nicht durch den ersten Verfassungszusatz gedeckt seien. Die US-Vertreter hoben hervor, dass die ungefilterte Veröffentlichung geheimer Dokumente US-Informanten gefährdet habe.
Besondere Aufmerksamkeit erlangte WikiLeaks, die von Assange gegründete Plattform, durch die Veröffentlichung eines Videos, das Kriegsverbrechen der USA im Irak zeigt, sowie durch Enthüllungen über manipulative Praktiken in den Vorwahlen der Demokratischen Partei in den USA, die Hillary Clintons Sieg befestigen sollten.
Die Strafverfolgung Assanges begann nach der Publikation des Videos, das den Tod anderer Journalisten dokumentierte – zunächst mit einem konstruierten Vergewaltigungsvorwurf in Schweden, der vorrangig dazu diente, seine Auslieferung an die USA zu ermöglichen. Assange suchte daraufhin Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in London, wo er sieben Jahre ausharrte.
Nachdem in Ecuador eine regierungsfreundliche Administration an die Macht kam, musste Assange 2019 sein Asyl verlassen, wurde unmittelbar festgenommen und wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht inhaftiert.
Die Haftbedingungen in Belmarsh, das ursprünglich für Gefangene der IRA errichtet wurde, sind äußerst streng, und wiederholt geriet das Leben des mittlerweile 52-Jährigen in Gefahr.
Letzten Monat wurde berichtet, dass US-Präsident Joe Biden erwäge, die Anklagen gegen Assange fallen zu lassen und seine Rückkehr nach Australien zu ermöglichen. Premierminister Anthony Albanese begrüßte diese Überlegungen, obgleich sich Australien zuvor nur zögerlich für Assange eingesetzt hatte. Während Donald Trumps Amtszeit hofften viele auf ein Ende des Verfahrens oder eine Begnadigung Assanges.
Für viele seiner Anhänger gilt Assange als Held, der durch seine Plattform Kriegsverbrechen und Übergriffe auf Bürgerrechte aufdeckte, welche sonst verborgen geblieben wären. Seine Unterstützer argumentieren, dass es für die westlichen Regierungen verwerflicher sei, derartige Verbrechen aufzudecken, als sie zu begehen.
Der heutige Gerichtsentscheid bringt eines der längsten Verfahren um die Pressefreiheit noch nicht zum Abschluss, doch ist zumindest Assanges unmittelbare Überstellung in die USA verhindert worden. Als letztes Mittel bereiteten seine Anwälte eine einstweilige Verfügung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor.
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