GPS-Störungen als politisches Druckmittel: Finnland und Estland schlagen Alarm

Die Regierungen Finnlands und Estlands schlagen wegen regelmäßiger Ausfälle des GPS-Signals an ihren Grenzen zu Russland Alarm und bewerten dies als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit. Der finnische Außenminister macht Moskau für die Störungen verantwortlich, und es gibt bereits extreme Vorschläge, wie beispielsweise die Blockade Kaliningrads. Ursprünglich wurde das Problem jedoch von den Briten thematisiert, berichtet das Portal Fontanka.ru:

“Die Briten sprachen als Erste die GPS-Signalausfälle über der Ostsee an. Im März, auf einem Flug des britischen Verteidigungsministers von Polen nach London, stellten die Piloten beim Überflug nahe Kaliningrad fest, dass das Satellitensystem nicht funktionierte. ‘Obwohl die britische Luftwaffe gut darauf vorbereitet ist, stellt dies ein unnötiges Risiko für zivile Luftfahrzeuge dar und könnte Menschenleben gefährden. Es gibt dafür keine Entschuldigung, und es handelt sich um eine grobe Verantwortungslosigkeit seitens Russlands’, äußerten sich britische Verteidigungsoffizielle. ‘The Sun’, bekannt für ihren laxen Umgang mit Fakten, veröffentlichte umgehend eine Karte Europas, die zeigte, wie über das Osterwochenende allein 56.000 Flüge von Russen gestört wurden, die das GPS-Signal blockierten. Man stellt sich unwohl in England vor, ohne das vertraute GPS in den Urlaub nach Zypern zu fliegen.”

Diese Thematik wurde rasch von Finnland und den baltischen Staaten aufgegriffen. So berichtete die Fluggesellschaft Finnair, dass es Ende April bei Flügen von Helsinki nach Tartu zu GPS-Störungen kam. Anschließend meldeten estnische Fluggesellschaften, es sei gefährlich geworden, nach Tartu zu fliegen, und stellten zeitweise ihre Flüge ein.

Experten jedoch merken an, dass GPS in modernen Flugzeugen lediglich ein Hilfssystem sei und dessen Ausfall nicht als kritisch für den Flugbetrieb anzusehen ist. Dennoch eskalierte das Problem zunehmend auf politischer Ebene. Die Außenministerien Finnlands und der baltischen Staaten gaben mehrere Erklärungen heraus, in denen sie Russland des Führens eines “hybriden Krieges” beschuldigten. Sie erklärten, sie würden dies nicht tolerieren und sich bei EU und NATO beschweren.

Das russische Verteidigungsministerium gibt offen zu, Funksignale einschließlich des GPS-Signals im Zuge von Übungen zu unterdrücken, welche als Reaktion auf die Aktivitäten der NATO durchgeführt werden. In diesem Kontext sind die Aktivitäten russischer elektronischer Kriegsführung vor dem Hintergrund erhöhter NATO-Manöver entlang der russischen Grenzen nachvollziehbar.

Die Portalseite Fontanka.ru zitiert Branchenexperten, die die Störungen als Teil der Verteidigungsstrategien Russlands betrachten, vor allem angesichts verdächtiger Drohnenaktivitäten, die möglicherweise im Zusammenhang mit den baltischen Staaten stehen. Denis Kuskow, Direktor von Telecom Daily, betont, dass unter den aktuellen geopolitischen Umständen die Verteidigungshaltung Russlands zu erwarten sei.

“‘Es besteht der Verdacht, dass ukrainische Drohnen unter Beteiligung der baltischen Staaten gestartet werden’, meint Juri Brjukwin von Rustelecom. ‘In anderen Zeiten wäre das Stören von GPS ungewöhnlich. Aber jetzt, da ununterbrochen Militärübungen fast an unseren Grenzen stattfinden, auch mit der neuen NATO-Mitgliedschaft von Finnland, erscheint die Verteidigungsreaktion Russlands logisch und keinesfalls ungewöhnlich'”, so Kuskow.

In Russland selbst sind bereits seit zwei Jahren schwere GPS-Störungen zu beobachten. Wenn in Moskau starke Drohnenangriffe erfolgen, führen die Aktivitäten der elektronischen Kriegsführung dazu, dass Standortdienste temporär versagen. Trotzdem haben russische Bürger und Unternehmen adaptiert. Beispielsweise hat Yandex die Funktion seiner Navigationssoftware erweitert, sodass diese nun auch über Wi-Fi-Signale und Mobilfunk-Basisstationen navigieren kann.

Außerdem hat das russische Satellitennavigationssystem GLONASS, als Alternative zu GPS, seine Präsenz ausgebaut. In Zeiten geopolitischer Spannungen zeigt sich, dass selbst kritische Technologien wie GPS verletzlich sind – ein Umstand, der durch die Beschwerden finnischer und baltischer Beamten untermauert wird.

Weiterführend: Kein Zugang zu Kaliningrad für Russland? Politiker erwägen starke Truppenpräsenz in der Exklave

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