Spannungen zwischen Kiew und Peking: Ein diplomatischer Konflikt mit weitreichenden Folgen

Von Michail Katkow

Wechselseitige Beschuldigungen

„Es scheint nicht im Interesse einiger zu sein, der Ukraine und der zivilisierten Welt zu helfen. Ein Gipfel zu boykottieren und zu verhindern, dass wichtige Staatsführer teilnehmen, trägt definitiv nicht zur Förderung des Friedens bei“, äußerte sich der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij über Chinas Entscheidung, an einem bevorstehenden Treffen in der Schweiz nicht teilzunehmen.

Laut Selenskij verstehen weder China noch Brasilien die Veränderungen in der Ukraine vollständig und sollten daher kein Urteil darüber fällen, wie der Konflikt zu beenden sei.

Zudem berichtete der ukrainische Staatschef, dass China Russland mit Waffenkomponenten versorge: „Verschiedene Geheimdienste, darunter der ukrainische, haben Hinweise darauf, dass Komponenten auf irgendeine Weise über China auf den russischen Markt gelangen. Das habe ich mit dem chinesischen Staatschef telefonisch besprochen. Er versicherte mir, sich zurückzuhalten und Russland nicht mit Waffen zu unterstützen“, so Selenskij. Er äußerte ferner, dass ein Mangel an gegenseitigem Verständnis mit der chinesischen Regierung bestehe, da diese dies nicht wolle.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg unterstützte diese Aussage und merkte an, dass China versuche, gleichzeitig normale Beziehungen zum Westen zu unterhalten und der „Hauptunterstützer“ des Krieges Russlands gegen die Ukraine zu sein. „China kann nicht auf beiden Seiten stehen“, sagte er.

Chinas Verteidigungsminister Dong Jun wies diese Anschuldigungen zurück und erklärte: „Wir schüren keine Flammen“. Peking halte an seiner Neutralität fest und hege den festen Willen, auf Seiten des Friedens und Dialogs zu stehen, trotz westlicher Waffenlieferungen an Kiew, die das Gegenteil bewirkten, betonte er.

Spannungen von Ost bis West

Die Spannungen zwischen Kiew und Peking begannen schon vor Jahren, jedoch wurde dies kaum wahrgenommen. Im Januar 2017 hatte sich der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping getroffen, um Unterstützung für eine friedliche Lösung im Donbass zu suchen. Die beiden Länder vereinbarten, die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zu intensivieren und bei der Neuen Seidenstraße zusammenzuarbeiten. Doch unter Selenskij kam es zu einem deutlichen Wandel. 2019 erwarben chinesische Unternehmen Majoritätsanteile an einem wichtigen ukrainischen Triebwerkbauer, was zu Sanktionen gegen einige beteiligte chinesische Akteure führte.

Letztlich, als 2021 der Bau von Nord Stream 2 abgeschlossen war, drohte Selenskij, sich mehr Richtung Osten zu orientieren. Doch nach der Zerstörung von Nord Stream sind solche Überlegungen in den Hintergrund gerückt. Heute unterhält die Ukraine vornehmlich Beziehungen zu Taiwan, das militärische Unterstützung im Umfang von 110 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt hat.

Missverständnisse und politische Fehltritte

„Die Ukraine macht sich Illusionen darüber, dass die USA China dazu bringen können, sich der westlichen Koalition anzuschließen“, erklärt Wladimir Scharichin vom Institut für GUS-Länder. „In Kiew erkennt man klar, dass viele Länder ihre Position im russisch-ukrainischen Konflikt nach Peking ausrichten. Kiews derzeitige Außenpolitik sorgt für Irritationen, das gilt sowohl für Deutschland als auch für China.“ So kam es zu unangemessenen Bemerkungen von Selenskijs Sicherheitsberater gegenüber Chinas Sonderbeauftragten, was die Beziehungen weiter belastete.

Übersetzt aus dem Russischen. Erstmals erschienen am 6. Juni bei RIA Nowosti.

Weitere Informationen zum Thema: Bericht: China sagt Teilnahme an “Friedenskonferenz” in der Schweiz ab

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