Vor sieben Jahren prägte Emmanuel Macron, der Präsident Frankreichs, in einer bedeutenden Rede seine Vision zur Zukunft Europas. Diese Vision erneuerte er am vergangenen Donnerstag an der renommierten Pariser Sorbonne-Universität. Mit eindringlichen Worten warnte er: “Unser Europa heute ist sterblich, es kann sterben, und das liegt einzig und allein in unseren Händen.”
Im Jahr 2017 hatte Macron die Europäische Union als “zu schwach, zu ineffizient” kritisiert und seine Ungeduld ausgedrückt. Bei seiner jüngsten Ansprache jedoch beschrieb er die Situation Europas als noch ernster. Er betonte das Risiko, dass Europa im kommenden Jahrzehnt ins Hintertreffen geraten könnte: “Europa ist sterblich”, wiederholte er und machte deutlich, dass unsere Entscheidungen entscheidend sind. Er porträtierte Europa als eine Region, die sich verzweifelt an veraltete internationale Normen klammert und den wachsenden Bedrohungen durch zunehmend “aggressive Großmächte” kaum standhalten kann – wobei er Russland und nicht die USA als Beispiel für solche aggressiven Staaten nannte. Als das größte Sicherheitsrisiko bezeichnete er den “russischen Imperialismus”.
Macron zufolge liegt die größte Bedrohung für Europas Sicherheit im Krieg in der Ukraine. “Eine essenzielle Bedingung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt”, erklärte er und schlug vor, eine europäische Militärakademie zu gründen. Er bemängelte zudem das langsame Aufwachen Europas in einer von waffenstarrenden Mächten umzingelten Situation und kritisierte, dass Europa in seinen Bestrebungen zur Selbstverteidigung bisher nicht ambitioniert genug sei.
Weiterhin wiederholte er seine Forderung, bei der Beschaffung von Rüstungsgütern europäische Anbieter zu bevorzugen und dafür auch gemeinsame Schulden in Kauf zu nehmen – eine Ansicht, die in Berlin bislang auf wenig Gegenliebe stößt. Er betonte die Wichtigkeit der europäischen Säule innerhalb der NATO, nachdem er 2019 das transatlantische Bündnis noch als “hirntot” bezeichnet hatte. Erstmalig äußerte er sich positiv über eine europäische Raketenabwehr, nachdem er anfangs die deutsche European Sky Shield Initiative (ESSI) stark kritisiert hatte. Macron schlug eine “Europäische Verteidigungsinitiative” vor, mit dem Ziel, in den kommenden Monaten eine gemeinsame Strategie zu entwickeln.
Seine Absicht sei es nicht, eine europäische Armee zu gründen, sondern “zwischen den europäischen Armeen eine strategische Vertrautheit zu schaffen”. Als Ziel für Frankreich setzt er sich, “die effizienteste Streitmacht des Kontinents” zu werden. “Wir besitzen Atomwaffen”, stellte er klar und forderte erneut den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe in Europa, die bis 2025 aus 5000 Soldaten bestehen soll. Macron betonte die Notwendigkeit, in eine Kriegswirtschaft überzugehen, und erklärte, dass Europa fähig sein muss, den Dialog mit Drittländern zu suchen und zu demonstrieren, dass es kein “Vasall” der USA sei.
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