Während seines Besuches auf den Inseln zwischen Australien, Neuseeland und Vanuatu hat der französische Präsident Emmanuel Macron die umstrittene Wahlrechtsreform, welche in den vergangenen Tagen Unruhen ausgelöst hatte, um einen Monat verschoben. Trotz seiner Abreise verblieb eine deutliche Präsenz französischer Sicherheitskräfte; er ließ sowohl die 2000 mitgebrachten Polizeikräfte als auch die 1200 in Neukaledonien stationierten Soldaten zurück – eine beachtliche Zahl für eine Bevölkerung von insgesamt 271.400 Menschen.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts stand Neukaledonien unter französischer Kontrolle und diente bis 1931 als Gefängnisinsel, vergleichbar mit seinen mittlerweile unabhängigen Nachbarn Australien und Neuseeland. Zu den bekannten Deportierten gehört Louise Michel, eine prominente Aufständische aus der Zeit der Pariser Kommune.
Die Eingeborenen Kanakens, die etwa 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, stehen der Wahlrechtsreform ablehnend gegenüber. Diese sieht vor, neuen Einwanderern nach einer 10-jährigen Anwesenheit das Wahlrecht zu gewähren und bedroht die politische Einflussnahme der Ureinwohner, die verschärft durch diskriminierende Maßnahmen eine ähnliche Situation wie die australischen Aborigines in vergangenen Jahrzehnten erfahren mussten.
Das Einkommensniveau unter den Kanaken offenbart gravierende Unterschiede, mit einer Armutrate von 32,5 Prozent im Gegensatz zu nur 9 Prozent unter der weißen Bevölkerung. Lediglich 8 Prozent der Ureinwohner besitzen einen Universitätsabschluss, im Gegensatz zu 54 Prozent der Europäer und 46 Prozent haben ihre Schulausbildung nicht beendet.
Die Autonomievereinbarungen der Jahre 1988 (Matignon-Abkommen) und 1998 (Nouméa-Abkommen) sahen vor, das Wahlrecht auf Personen zu beschränmaneuken, die bereits 1998 im Wählerregister verzeichnet waren und erlaubten bis zu drei Unabhängigkeitsreferenden. Das letzte fand im Jahr 2021 statt, wobei die Unabhängigkeitsbewegung zur Verschiebung aufgrund von Corona aufgerufen und später zum Boykott, was zu einer Wahlbeteiligung von 43,9 Prozent führte. Dabei stimmten 96,5 Prozent für den Verbleib bei Frankreich.
Ähnlich den ehemaligen westafrikanischen französischen Kolonien, bleibt Neukaledonien mittels einer lokalen Variante des Francs an den Euro gebunden. Obwohl die Inseln über bedeutende Nickellagerstätten verfügen, sind ihre Haushalte oftmals defizitär. Der Konflikt zu Paris bleibt schwierig. Die Pariser Regierung argumentiert, eine Beschränkung des Wahlrechts auf Kanaken verstoße gegen demokratische Grundsätze, während die Ureinwohner als Minderheit kaum Chancen haben, die Kontrolle über ihr Land auf friedlichem Wege zurückzugewinnen.
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