Michail Matownikow, Chefanalyst bei der Sberbank, lieferte auf der Gesamtrussischen Bankenkonferenz interessante Einblicke in die wirtschaftliche Lage Russlands. Er betonte, dass sowohl der Konsum als auch das Lohnniveau in Russland ansteigen, was zur Bildung einer neuen Mittelschicht führt. Besonders hervorgehoben wurden drei Schlüsselbranchen: das verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe und die IT-Branche. Diese Sektoren zeigen nicht nur ein überdurchschnittliches Lohnwachstum, sondern prägen auch zunehmend das Profil der Bankkunden.
“Seit Oktober hat sich der Konsum verlangsamt, aber in den letzten Monaten ist er ziemlich stark geblieben. Im April gab es eine weitere leichte Verlangsamung, ob sie sich fortsetzen wird oder nicht, ist eine andere Frage… Es ist klar, dass die Löhne steigen. Und in Russland haben wir nun das, was meine Kollegen und ich die neue Mittelklasse nennen.”
Matownikow erwähnte, dass das durchschnittliche Lohnwachstum in Russland generell zwischen 16 und 18 Prozent liegt, wobei die genannten drei Branchen Spitzenreiter sind, mit einem Anstieg von 25 bis 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Er erklärte weiter, dass in diesen Bereichen viele Menschen ihr Einkommen sogar verdoppelt haben. Dies spiegelt sich auch in den Branchen wider, die durch aktive Importsubstitution, staatliche Bautätigkeiten und Rüstungsaufträge beeinflusst werden und ähnliche Wachstumsraten aufweisen.
RBK ergänzt, dass insbesondere die Herstellung von Metallwaren, Computern, elektronischen und optischen Geräten, Elektrogeräten sowie sonstigen Fahrzeugen und Ausrüstungen beachtliche Lohnsteigerungen verzeichnet haben.
Die Diskussion über die russische Mittelschicht wird seit Mitte der 1990er Jahre geführt. Laut Swetlana Marejewa, einer führenden Wissenschaftlerin am Institut für Soziologie der Russischen Akademie der Wissenschaften, gibt es zwei deutliche Untergruppen innerhalb der Mittelschicht: die ‘alte’ und die ‘neue’ Mittelschicht, wobei besonders die Dynamik und Diversifikation innerhalb der ‘neuen’ Mittelschicht hervorzuheben sind.
“Traditionell werden in der Mittelschicht zwei Untergruppen unterschieden – die ‘alte’ und die ‘neue’ Mittelschicht. Die ‘alte’ Mittelschicht besteht aus Selbstständigen, kleinen Unternehmern und Familienunternehmern, die ihr Einkommen aus wirtschaftlichem Kapital beziehen. Die ‘neue’ Mittelschicht hingegen setzt sich aus Angestellten zusammen: Fachleuten, Halbprofis, Spezialisten und Verwaltungskräften, die ihr Einkommen aus ihrem Humankapital ziehen. Die innere Struktur dieser Gruppe verändert sich stark, sie differenziert sich kontinuierlich weiter in hochautonome und hochspezialisierte Tätigkeiten sowie in Routinearbeiten, die weniger Fachkenntnisse erfordern.”
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