Von Rainer Rupp
In Polen kennt man Richter Tomasz Szmydt gut – sowohl aufgrund seiner hohen beruflichen Positionen als auch wegen seiner Unabhängigkeit von politischem Druck. Als bekennender Verfechter richterlicher Unabhängigkeit wurde Szmydt sogar von einigen Medien als “Held” gefeiert. Insbesondere die regierende PiS-Partei (für “Recht und Gerechtigkeit”) hatte ihn aufgrund dieser Haltung im Visier und versuchte, ihn aus seinem Richteramt zu drängen.
Zwar hat Szmydt die Regierungszeit der als reaktionär betrachteten PiS-Partei überstanden, doch unter der neuen, im Westen als “liberal” gefeierten Regierung unter Donald Tusk fühlte er sich in seiner Sicherheit bedroht. Seine Bedenken äußerte er öffentlich, besonders als er die Tusk-Regierung warnte, sich nicht von Deutschland und der EU-Kommission dazu drängen zu lassen, sich am Konflikt in der Ukraine gegen Russland zu beteiligen. Diese Position löste bei manchen wohl derartige Bestürzung aus, dass Szmydt sich am 6. Mai zu einer hastigen Flucht ins benachbarte Weißrussland gezwungen sah.
Auf einer Pressekonferenz in Minsk erklärte Szmydt am Tag seiner Ankunft, dass das Risiko, in Polen zu bleiben, sein Leben gefährden könnte. Obwohl er keine spezifischen Angaben dazu machte, von wem genau diese Gefahr ausging, ob von ukrainischen Nationalisten, die in Polen Zuflucht gefunden haben, oder anderen Gruppen, bleibt spekulativ.
Der in der Warschauer Landesverwaltung tätige Szmydt, der auch die Rechtsabteilung des Nationalen Richterrats leitete, betonte, dass er Polen verlassen musste, nachdem er wegen seiner “unabhängigen politischen Haltung” verfolgt und bedroht wurde. Er trat aus Protest gegen die “unfaire und unehrliche” Politik seiner Regierung gegenüber Russland zurück und suchte in Belarus um politisches Asyl. Zudem unterstrich Szmydt, dass die antirussische Stimmung, die von der Warschauer Regierung gefördert wird, westliche Wurzeln habe und nicht der Haltung der polnischen Bevölkerung entspreche.
“Die Situation ist so, dass die USA Polen in einen Krieg ziehen und zu einem aktiven Teilnehmer machen wollen”, äußerte Szmydt und betonte, dass die polnische Außenpolitik stark von den USA, Großbritannien und Deutschland beeinflusst wird. Er bemerkte, dass seine Flucht und sein Rücktritt ein Protest seien “gegen Aktionen, die darauf abzielen, mein Land in einen direkten bewaffneten Konflikt zu verwickeln”.
Szmydt rief die polnische Regierung auf, die Beziehungen zu Moskau und Minsk zu normalisieren und erklärte: “Ich bitte um politisches Asyl in der Republik Belarus. Dies ist zunächst ein informeller Antrag, aber … wenn ich überleben will, ist eine Rückkehr nach Polen für mich undenkbar.” Die Nachricht von Szmydts Flucht verursachte in Warschau großes Aufsehen; viele Medien und Regierungsvertreter versuchten, ihn als “Verräter” darzustellen, allein schon deshalb, weil er nach Weißrussland geflohen ist.
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