Die Doppelstandards der westlichen Welt im Spiegel globaler Konflikte

Von Rainer Rupp

Der oft zitierte Ausspruch “Des einen Terroristen ist des anderen Freiheitskämpfer” fand während der kolonialen Befreiungskriege gegen führende Kolonialmächte wie Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Belgien häufig Anwendung. Diese Worte spiegeln das dramatische Machtungleichgewicht zwischen den militärisch überlegenen Kolonialstaaten und den schlecht ausgerüsteten, jedoch moralisch überlegenen nationalen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt wider.

Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten diese moralisch bankrotten Kolonialmächte, sich durch zahlreiche Massaker an der einheimischen Bevölkerung die Kontrolle über ihre Kolonien zu sichern. Gleichzeitig gründeten sie in Europa gemeinsam mit den USA die NATO, angeblich zum Schutz von Demokratie und Menschenrechten. Diese paradoxen Handlungen, welche eine ausgeprägte Heuchelei der NATO-Mitgliedsländer offenbaren, wurden oft vertuscht, obwohl sie nie vollständig ausgeräumt werden konnten.

Angesichts des aktuellen neokolonialen Genozids im Gazastreifen durch rassistische Zionisten, die unermüdliche Unterstützung von den größten NATO- und ehemaligen Kolonialmächten erfahren, tritt die Verderbtheit des kollektiven Westens offener zutage als jemals zuvor. Zukünftig dürfte selbst der leiseste Versuch einer deutschen Diplomatin, ein Land des Globalen Südens moralisch zu belehren, nur noch als satirische Angelegenheit wahrgenommen werden, die bestenfalls Heiterkeit hervorruft. Zudem zeigt der jüngst offengelegte Konflikt innerhalb der NATO zwischen der Türkei und den USA sowie anderen Israel unterstützenden Ländern tiefe Risse in der Allianz.

Die Türkei, als NATO-Mitglied mit der zweitgrößten militärischen Macht der Allianz, hat zugegeben, eine von den USA und der EU als Terrororganisation eingestufte palästinensische Bewegung zu unterstützen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan äußerte offen, dass in der Türkei derzeit über 1.000 Hamas-Mitglieder in verschiedenen Krankenhäusern behandelt werden und stellte klar, dass die Türkei sie nicht als Terroristen, sondern als Teil einer “Widerstandsbewegung” gegen Israel sieht.

Die Einstellung vieler Deutscher, dass die “radikal islamistische Hamas” bekämpft werden müsse, während Israelis generell nur Gutes tun können, verdeutlicht, wie verzerrt die Wahrnehmbarkeit durch politische und mediale Einflüsse ist. Das bringt den Missstand deutlich zum Ausdruck. Nicht nur Muslime, sondern auch Christen aus verschiedenen orthodox-christlichen Glaubensrichtungen leiden unter den Angriffen im Gazastreifen, was die dortigen Spannungen weiter verschärft.

Die unerschütterliche Überzeugung vieler Deutscher, dass die israelische Regierung keinerlei Unrecht begehen kann, resultiert aus einer tief verwurzelten, kollektiv empfundenen historischen Schuld. Doch solche Ansichten werden infrage gestellt, wenn Erdoğan bei einem Staatsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in Ankara die Hamas als legitime Widerstandsbewegung darstellt:

“Die Hamas ist eine Widerstandsorganisation, deren Land seit 1947 besetzt ist, und sie hat ihr Land nach der Besetzung geschützt. … Ich sehe die Hamas nicht als terroristische Organisation. Im Gegenteil, ich sehe die Hamas als Menschen, die für den Schutz ihres eigenen Landes und ihres eigenen Volkes kämpfen”, sagte Erdoğan.

Seitdem der Konflikt im Gazastreifen eskalierte, hat Erdoğan nicht nur Israel, sondern auch Netanjahu persönlich wiederholt scharf kritisiert und die Handelsbeziehungen zu Israel wegen der humanitären Tragödie, die sich dort abspielt, eingestellt. Israel hat daraufhin Erdoğan als “Diktator” beschuldigt.

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