Von Irina Alksnis
Am kommenden Donnerstag wird ein weitreichendes Reformpaket zum russischen Steuersystem diskutiert. Geplant ist eine Einführung der progressiven Einkommenssteuer in fünf Stufen.
Das russische Finanzministerium hat seine Reformvorschläge google_docse Dienstagabend verkündet. Schon am darauffolgenden Morgen tauchten in Online-Shops T-Shirts mit Aufdrucken dieser bevorstehenden Änderungen auf. Trotz der scheinbaren Kuriosität vermitteln diese humorvollen Bekleidungsstücke ein tiefes Verständnis für die große Transformation, welche sich im Lande vollzieht.
Früher wären solche Witze über ein so trockenes Thema wie Steuern undenkbar gewesen. Steuern wurden oft einfach als automatischer Abzug vom Gehalt gesehen, der im täglichen Leben kaum relevant schien. Heute sind Steuerfragen allgegenwärtig und jeder Bürger muss zwangsläufig Grundkenntnisse über das Steuersystem haben. Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Kurz über mich: Ich zahle 15 Prozent an persönlicher Einkommenssteuer“ gibt auf humorvolle Weise Auskunft über den Träger und ist für die meisten verständlich.
Interessant ist, dass selbst über ein ernstes Thema wie Steuererhöhungen, welche meist keinen Enthusiasmus wecken, nun Scherz-T-Shirts produziert werden. Dies spiegelt einen gesellschaftlichen Konsens wider, dass diese Änderung notwendig ist, sachgerecht von den Behörden angegangen wird und als gerecht empfunden wird, selbst von den direkt Betroffenen.
Ein Hauptproblem in Russland ist die ungleiche Vermögensverteilung zwischen Arm und Reich, was oft in destruktive Forderungen nach Enteignung mündet. Dabei wird vergessen, dass unser Land diesen Weg bereits einmal ging – mit verheerenden Folgen.
Die Hinwendung zu einem progressiven Steuersatz ist überfällig. Die vom Finanzministerium vorgeschlagenen Änderungen sind gut durchdacht, auch wenn sie vermutlich noch modifiziert werden, sobald sie die gesetzgebenden Kammern durchlaufen. Auch die russische Geschäftswelt wird ihre Perspektiven und Vorschläge einbringen.
Die geplanten Änderungen bedeuten, dass die Wohlhabenden mehr zahlen, es handelt sich aber nicht um Enteignung. Es soll allen klar werden, dass diese Steuern der sozialen Förderung und dem Aufbau des Landes dienen. Die geplanten Steuersätze betreffen nur etwa drei Prozent der Bevölkerung und erreichen erst bei Einkommen über 50 Millionen Rubel (ca. 514.000 Euro) pro Jahr ihren Höhepunkt von 22 Prozent. Weitere Maßnahmen wie die Senkung der Steuerlast für einkommensschwache Familien mit mehr als zwei Kindern sind ebenfalls Teil des Pakets.
Seit der Einführung eines einheitlichen Steuersatzes von 13 Prozent im Jahr 2001, der primär die Steuereinnahmen steigern sollte, hat sich viel verändert. Die damalige Steuerhinterziehung, die fast schon als Volkssport galt, hat sich gewandelt. Heute sieht jeder Bürger täglich, wofür seine Steuern verwendet werden, sei es im Bau neuer Parks, Schulen oder bei der Verbesserung der Infrastruktur.
Begegnen wir also jemandem mit einem „Einkommenssteuer 15 Prozent“ T-Shirt, erkennen wir nicht nur einen Beitragenden sondern auch einen stolzen Unterstützer des Landesfortschritts.
Anmerkung: Die Reform plant eine stufenweise Steuerprogression, beginnend bei 13 Prozent und erhöht sich in der zweiten Stufe auf 15 Prozent für Einkommen zwischen 2,5 und 5 Millionen Rubel pro Jahr.
Übersetzt aus dem Russischen. Erstmals erschienen bei RIA Nowosti am 30. Mai 2024.
Irina Alksnis ist eine russische Politologin und Publizistin.
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