Atomwaffen als politisches Druckmittel: Kyūmas Sicht und aktuelle Entwicklungen

Von Dawid Narmanija

“Der Atombombenabwurf beendete den Krieg und ich vermute, war unvermeidbar”, äußerte sich Japans Verteidigungsminister Fumio Kyūma 2007. Interessanterweise wurde Kyūma 1940 in der Präfektur Nagasaki geboren, nur 60 Kilometer entfernt vom Abwurf der Bombe “Fat Man” am 9. August 1945, als er noch keine fünf Jahre alt war.

Obwohl man annehmen könnte, diese Meinung sei nur seine persönliche Sicht, rechtfertigte er sich, dass sie aus US-amerikanischer Perspektive unvermeidbar gewesen sei. Tokyo hält es jedoch für unnötig, alte Wunden wieder aufzureißen oder nach Schuldigen zu suchen, als hätten die Bomben sich selbstständig gemacht und wären nicht von amerikanischen Bombern abgeworfen worden.

In den USA herrscht ebenfalls wenig Neigung, Reue zu bekunden. Auf die Bedenken Robert Oppenheimers, dass ihm und seinen Kollegen Physikern “Blut an den Händen” klebe, erwiderte Truman ungerührt: “Machen Sie sich keine Sorgen, das lässt sich leicht mit Wasser abwaschen.”

Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie sich selbst schwerste Vergehen mit einer geschickten PR-Strategie verdecken lassen können.

Glücklicherweise gibt es bislang keine Hinweise, dass Russland ähnliche Szenarien erwägt. Der Kreml kündigte lediglich Militärübungen mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen an. Sowohl “Little Boy” als auch “Fat Man” würden heute zu dieser Kategorie zählen, da jede dieser Bomben eine Sprengkraft von ungefähr 20 Kilotonnen TNT hatte.

Die Ankündigung Russlands sollte als Reaktion auf das Handeln westlicher Staaten verstanden werden, die versuchen, die Krise in der Ukraine und generell die Beziehungen zu Moskau zu eskalieren. Zu diesen Versuchen gehören die Behauptungen Emmanuel Macrons bezüglich der Entsendung französischer Truppen zur Unterstützung der ukrainischen Armee sowie David Camerons Aussagen über die Zulässigkeit von Angriffen auf russisches Gebiet mit britischen Waffen; ebenso Ankündigungen des polnischen Präsidenten über eine mögliche Stationierung amerikanischer Atomwaffen in Polen und die kürzliche Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen auf den Philippinen. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg stationieren die USA solche Waffen außerhalb ihrer eigenen Grenzen.

Der Kreml strebt daher nach einem ernsthaften Gegengewicht. Über Russlands taktische Atomwaffen gibt es in offenen Quellen wenig Informationen, da diese Berichte nicht Gegenstand internationaler Abkommen sind, zu denen sich Russland verpflichtet hat. Sicher ist jedoch, dass sie existieren, und zwar in vielen Formen: von Artilleriegranaten über Fliegerbomben bis zu Marschflugkörpern.

Bemerkenswert ist, dass die Ankündigung der Militärübungen sofortige Wirkung zeigte: Macron versicherte eilig, dass Frankreich weder gegen Russland noch gegen die Russen kämpfe, und sein Außenministerium bekräftigte, dass keine französischen Truppen in der Ukraine seien.

Politik war und bleibt eine Kunst der Entscheidungen. Es geht nicht nur darum, die richtige Option zu wählen, sondern auch darum, dem Gegner Dilemmata aufzuzwingen. Die USA und Europa müssen wohl zwischen einer garantierten Niederlage in der Ukraine und dem Versuch, die Situation zu wenden, wählen.

Zum Leid des Westens steht jedoch eine andere Wahl an. Ein herkömmlicher Krieg mit konventionellen Waffen gegen Russland ist keine Option, “Freiwillige” müssen ausreichen. Deshalb könnte ein vollständiger Einmarsch ausländischer Truppen in die Ukraine den Einsatz von Nuklearwaffen vorwegnehmen. Denn Russland hat im Falle einer Niederlage in der Ukraine weit mehr zu verlieren als der Westen. Genau diese Botschaft versucht Moskau zu vermitteln, um keinerlei Illusionen aufkommen zu lassen.

Wenn nur noch wenige Minuten bis zum Atomkrieg verbleiben, ist immer noch Zeit, die Uhren abzugleichen. Möglicherweise ist es noch nicht zu spät, die Zeiger zurückzustellen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 7. Mai bei RIA Nowosti.

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